Jenny Berg, Basler Zeitung (30.06.2009)
Sven-Eric Bechtolf inszeniert «Così fan tutte» in Zürich
Ein grossartiges Gesangsensemble und ein farbiges Orchester retten Sven-Eric Bechtolfs mutlose Inszenierung von Mozarts «Così fan tutte» vor dem Stillstand.
«Ein Frauenzimmer muss sich immer in Respekt erhalten – sonst kömmt sie in das Gerede der Leute!» Eindringlich appelliert Mozart im Sommer 1789 an seine Frau Konstanze, dass sie es während seiner Abwesenheit bitte nicht zu bunt treiben solle: «Quäle Dich und mich nicht mit unnötiger Eifersucht», schreibt er, «habe Vertrauen in meine Liebe, Du hast ja doch Beweise davon!»
Hatte Mozart Grund zu zweifeln? Zumindest hatte er Lorenzo da Pontes neuestes Libretto vor sich. Und das besagt, dass das weibliche Wesen mit Treue und Standhaftigkeit unvereinbar ist. In einem Experiment testen zwei Jungsoldaten auf Anordnung eines Philosophen die Liebe ihrer Verlobten. Ihr Wetteinsatz ist hoch, ihr Spass an der Verkleidungskomödie ebenfalls. Noch grösser aber ist das Entsetzen darüber, dass die jeweils andere tatsächlich ihren Verführungskünsten erliegt.
Gestolpert. Frauenfeindlich sei «Così fan tutte», und sehr unwahrscheinlich, kritisierten die Zeitgenossen, und schrieben das Libretto für nachfolgende Aufführungen kurzerhand um. Doch was macht man heute daraus, wenn Partnertausch längst nicht jeden schockt und ein Treuetest zum Ankreuzen zur Grundausstattung der Frauenzeitschriften gehört?
Regisseur Sven-Eric Bechtolf entzieht sich jeder Stellungnahme. Er lässt den Figuren von Marianne Glittenberg belanglose Rokokokostüme schneidern und setzt sie in den Versuchskäfig von Rolf Glittenberg. Seine spartanisch möblierte, grellweisse Bühne verströmt den Charme eines psychologischen Labors, das mit seiner streng symmetrischen Anlage und der ebenso auf Symmetrie bedachten Personenführung allerlei schöne Muster produziert. Doch wie ein Kaleidoskop nach einigen Drehungen keine Überraschungen mehr bietet, so ist es in dieser Inszenierung: Die Wege sind vorhersehbar, man stolpert lediglich über die platte Situationskomik und alberne Witze.
Geschmachtet. Und so bleibt vor allem die Musik ein Ereignis. Wie geschickt Mozart die Personenkonstellationen harmonisch voneinander absetzt und in wechselnden Kombinationen mit- und gegeneinander ansingen lässt, mit welch bildhafter Tonsprache er das sanfte Säuseln des Windes genauso wie die heftigen Gefühlswallungen seiner Protagonisten zeichnet, ist immer wieder eine Entdeckung wert – vor allem bei einem solch stimmgewaltigen Ensemble: Ruben Drole und Javier Camarena geben mit schmachtenden Gesängen solch überzeugende Latin Lover ab, dass es nicht verwundert, dass zuerst der wandlungsfähige Mezzo von Anna Bonitatibus, dann auch der etwas bedeckte Sopran von Malin Hartelius das Schwachwerden subtil antönen. Und Martina Janková lässt als Zofe Despina mit ihrem so spielerisch parlierenden Sopran vergessen, dass der blasse Oliver Widmer als Don Alfonso der eigentliche Anstifter der Misere ist.
Dabei gerät die Aufführung auch zum Abschiedsfest von Franz Welser-Möst. Ein letztes Mal dirigiert er das fein austarierte Opernhaus-Orchester, unterlegt die Verführungsszenen mit romantischem Vibrato, setzt scharfe Akzente zu den Verzweiflungsarien. Doch auch ihm fehlt der Mut, der allzu glatten Bühne wirklich raue, hässliche Töne entgegenzusetzen. Das Premierenpublikum hingegen hüllte sich gern in die warmen, weichen Klänge und die bunten, ungebrochenen Bilder – und spendete enthusiastischen Applaus.