Witziger Salieri

Verena Naegele, St. Galler Tagblatt (04.09.2009)

La grotta di Trofonio, 02.09.2009, Winterthur

Mit «La Grotta di Trofonio» startete das Zürcher Opernhaus in Winterthur die Saison. Die Rarität gefiel musikalisch, szenisch blieb sie blass.

Antonio Salieri steht eigentlich für Sensationslüsternheit, will es doch die Legende, dass der Komponist aus Neid seinen übermächtigen Konkurrenten Mozart vergiftet habe. Doch Salieris «La Grotta di Trofonio» spricht in Winterthur eine differenziertere Sprache: Die Musik ist witzig, von grosser formaler Vielfalt und raffinierter Klangfarbenpracht. Die Inszenierung von Mario Pontiggia allerdings glänzt mit Einfallslosigkeit, da wurde eine Chance verpasst.

Die Geschichte lebt von einem Verwandlungsspuk: Die leichtfüssige Dori und die philosophierende Ofelia wollen ihre charakterlich gleichen Partner Artemidoro und Plistene heiraten. Die jungen Männer geraten jedoch in die Fänge des Zauberers Trofonio, der die Charaktere der beiden ins Gegenteil verkehrt. Aus dem Philosophen wird der Lebemann und umgekehrt. Auch die beiden Frauen erleiden dieses Schicksal, bis zum Schluss die Paare doch noch zusammenfinden.

Wunderbare Arien

Das Libretto von Castì ist also ziemlich platt, das Verhalten der Figuren lebt von wechselnden, zauberisch herbeigeführten Extremen und unterscheidet sich so fundamental von der gleichartigen Story der «Così fan tutte». Die holzschnittartigen Brüche bieten Salieri dafür ideale Nahrung für seine ungewöhnlich reiche, differenziert verwendete Orchesterpalette, für wunderbare Arien und Ensembles. Da wird etwa die Kavatine von Plistene nur von Englischhörnern und Fagott begleitet, und die Rossini vorwegnehmenden Ensembles leben von rasenden Läufen und dem munteren Pingpong der Stimmen.

Regisseur und Bühnenbildner Mario Pontiggia scheint das allerdings wenig inspiriert zu haben. In einem mit griechischen Säulen bestückten Ambiente agieren die Figuren in Kostümen der Zeit in stereotyper Commedia-dell'-arte-Manier. Die «Grotta» ist eine antike, auf der Rückseite zerbrochene Amphore, Trofonio erinnert mit Pluderhosen an einen Muselmanen, Abwechslung gibt es kaum. In einer solch uninspirierten Atmosphäre haben es die Sängerinnen und Sänger schwer, über triviale Opernbewegungen und Rollenfloskeln hinauszukommen.

Allzu gewichtiges Bühnenstück

Herausragend war Isabel Rey als Dori, die in den Fusstapfen der berühmten Nancy Storace mit leicht und souverän geführtem Sopran die quirligen Läufe bewältige. Schön abgesetzt mit dunklerem Timbre die Ofelia der Serena Maifi, die im Minuetto des zweiten Teils mit origineller Zungenbrecherakrobatik gefiel. Auch die Tenöre, der etwas dunkler gefärbte Gabriel Bermudez und der lyrisch-leichte Kresimir Spicer, waren gut aufeinander abgestimmt, allerdings wirkten sie im Forte «blechern». Mächtig der Bass von Laszlo Polgar als Trofonio, der szenisch allerdings im Gegensatz zum agilen Davide Fersini als Aristone sehr gestelzt agierte.

Das Stadtorchester Winterthur spielte klangschön, liess zwischendurch aber eine gewisse Agilität vermissen und wurde zusammen mit den Sängern in den schnellen Stücken unpräziser. Dies lag auch am Dirigat und den Klangvorstellungen von Douglas Boyd mit einem Hang zur Üppigkeit, wozu auch passte, dass das Continuo mit einem Hammerflügel bestückt war. Salieris «Opera comica» geriet zusammen mit der Regie statt zum intim-witzigen Kammerspiel zu einem allzu gewichtigen Bühnenstück.