Umjubeltes Debüt

Verena Naegele, Basler Zeitung (20.06.2006)

Vec Makropulos, 17.06.2006, Zürich

«Die Sache Makropulos» von Janácek in Zürich

Es ist ein spektakulärer Abend. «Die Sache Makropulos» am Zürcher Opernhaus fasziniert nicht dank grosser Gesten, sondern dank feiner Nuancen und einer differenzierten Farbigkeit in Musik und Regie.

Der Dirigent Philippe Jordan hat sich für sein Debüt am Opernhaus Zürich wahrlich keinen Klassiker ausgesucht. Und trotzdem wurde «Die Sache Makropulos», eine eher selten gespielte Oper von Leos Janácek, zum bejubelten Einstand des jungen Schweizer Dirigenten. «Mit meinem Vater Armin Jordan verbindet mich die Affinität zum Klang, zur Klangkultur». Wie Recht Philippe Jordan damit hat, demonstrierte er in Janáceks Meisterstück.

Mit schier unerschöpflichen kompositorischen Mitteln gelingt Janácek eine tiefenpsychologische Deutung der Figuren. Trotz der Kleinzelligkeit und der rezitativisch gestalteten Faktur trägt die Musik mit Farbigkeit und differenzierter Rhythmik durch das Stück. Jordan agierte und reagierte trotz einigen Unsauberkeiten mit dem Ensemble in bestechender Manier, betonte die Nuancen und baute doch alles auf den bewegenden Schlussmonolog der Emilia Marty hin: Das Outing einer Frau, die nach 300 Jahren «ewigen» Lebens genug hat und in den Tod geht.

reife. Gabriele Schnaut verleiht dieser Reifezeit einer verdammten Frau vokal und darstellerisch eine zu Herzen gehende Kraft. Erstaunlich, wie sie ihre zu starkem Vibrato neigende Stimme immer wieder zu bändigen und ins Piano zurückzunehmen vermag, wie sie aber auch unkontrollierte Ausbrüche wagt. Mit solch differenziertem Agieren in Ton und Spiel steht oder fällt «Die Sache Makropulos», ein Konversationsstück, in dem über zwei Stunden lang kaum etwas passiert, und das doch wie ein Krimi abläuft.

Die Zeit ist ein zentraler Faktor, den Regisseur Klaus Michael Grüber metaphorisch geschickt mit einer Dampflokomotive im Raum andeutet (Bühne: Titina Maselli und Barbara Bessi). Und Grüber macht schon gar nicht den Versuch, «Action» ins Geschehen einzubringen, vielmehr konzentriert er sich auf eine feinziselierte Personenführung.

In diese Differenzierung passen auch die Kostüme von Moidele Bickel, wunderbar das an die Turandot erinnernde Divenkleid Emilias im zweiten Akt, prägend das glutorange Frottiertuch, unter dem sie sich resigniert versteckt.

feinheit. Es sind diese Finessen, die den Figuren auf der Bühne Konturen verleihen. Köstlich der irre kleine Hauk-Sendorf mit trippelnden Schritten und schrillem Tenor (Boiko Zvetanov). Rasend und verzweifelt Albert Gregor, der von Peter Straka wegen Indisposition etwas eindimensional gesungen wurde.

Diese knappen, auch musikalisch scharf und schroff gezeichneten Begleitfiguren machen den Weg frei für Emilia Marty, eine der faszinierenden Janácekschen Frauengestalten: Ihre in der Angetrunkenheit, bei dem alles rhythmisch aus dem Tritt gerät, endlich aufbrechende Verzweiflung, mit der die Sinnlosigkeit ewigen Lebens klar wird.