Zürcher Opernhaus in Winterthur mit Salieries „La grotta di Trofonio“

Torbjörn Bergflödt, Südkurier (05.09.2009)

La grotta di Trofonio, 02.09.2009, Winterthur

Irgendwo in unserem Hirn geistert er noch immer herum als ränkeschmiedender Neider und Schleicher, als guter Handwerker unter den Komponisten, der den großen Mozart meuchelte. Die historischen Quellen bestätigen ein solches Bild vom Komponisten, Wiener Hofkapellmeister und Lehrer Antonio Salieri (1750-1825) aber nicht, und Forschungen von Volkmar Braunbehrens und Rudolph Angermüller haben diesen Mann sogar rehabilitiert. Wer sich dem Werk Salieris nähern will, sollte zwischenzeitlich Puschkins Giftmord-Dramolett (1830) und Rimski-Korsakows einschlägige Oper (1898) vergessen und ebenso Shaffers Denkspiel zum Thema Begabung versus Originalgenie (1979) und Formans Kinoschlager (1983) – bei dem hinter dem Kicher-Mozart im Punk-Rokoko-Look nur wieder das alte Künstlerklischee vom anstrengungsfrei schaffenden Genius hervorlugt.

Zwar hat sich noch keine kontinuierliche Werkpflege etabliert, aber von den rund vierzig Salieri-Opern werden durchaus wieder einige gespielt. Auch das Opernhaus Zürich hat schon für den rezeptionsgeschichtlich arg gebeutelten Wahl-Wiener aus Italien plädiert und tut dies nun wieder, in der im Theater Winterthur ausgerichteten ersten Opernpremiere dieser Saison, mit „La grotta di Trofonio“ aus dem Jahr 1785.

Es ist dies kein Unterfangen, das sich nur mit der Vokabel „verdienstvoll“ abhaken lässt. Zu hören und zu sehen ist ein Werk, das, gerade in musikalischer Hinsicht, eine sehr gute Figur macht. Trotz gewisser schablonenhafter Züge sorgt Giambattista Castis Libretto der „opera comica“ für viel Situationswitz. Ins (vor)klassische Altertum verlegt, ist der Text gespickt mit Anspielungen auf damals, im Zeitalter der Aufklärung, diskutierte Themen.

Casti lässt ein ernstes (Ofelia und Artemidoro) und ein heiteres Liebespaar (Dori und Plistene) in der titelgebenden Grotte des Zauberers und Philosophen Trofonio dergestalt sich in den gegenteiligen Charakter verwandeln, dass ernst zu heiter kommt und heiter zu ernst. Der Zweitbesuch in der Grotte macht alles wieder gut: Tiefenpsychologische Abgründe wie in „Così fan tutte“, an die das Stück erinnern mag, werden keine aufgerissen. Dafür gibt es Ironie und Zeitgeistkritik – zum Beispiel zu gespreizten Philosophen oder vermeintlich aufgeklärten Vätern. Die Partitur enthält viele geniale Einfälle. In einer Travestie des Furienchors aus „Orfeo ed Euridice“ von Salieris musikalischem Ziehvater Gluck sind die Pauken im Intervall einer verminderten Quinte gestimmt. Ein kaum enden wollender Triller in den Geigen verweist auf mechanistischen Leerlauf. Das (Reim-)Wort „quà“ verselbständigt sich zu musikalischem Slapstick.

Regisseur und Bühnenbildner Mario Pontiggia bedient eine heitere Lustspielmechanik, ohne das Werk an einen allzu vordergründigen Witz zu verraten, und vermittelt auch das beglückend Zauber(opern)hafte. Die stilisierten Elemente, die das Anwesen des Bräutevaters Aristone und die Grotte des Magiers andeuten, sind fahrbar und erlauben so schnelle Szenenwechsel.

Serena Malfi als Ofelia, Isabel Rey (Dori), Kresimir Spicer (Artemidoro), Gabriel Bermudez (Plistene), Davide Fersini (Aristone) und László Polgár (Trofonio) agieren, mit viel Spaß an der Sache, auf hohem Niveau – bei timbreschönen Stimmen, warm ausgezogenen Kantilenen und, wo geboten, rhythmischem Pep und spritzigen Hochgeschwindigkeitsparlandi. Den Chor in der Grotte (sprich: im Orchestergraben), der Trofonio durchaus als „Scharlatan“ anzusingen wagt, hat Ernst Buscagne sauber einstudiert.

Unter seinem brandneuen Leiter Douglas Boyd meistert das Orchester Musikkollegium Winterthur auch rasante Soli und vermag die einfallsreich-delikaten Farben, mit denen Salieri den Orchesterpart ausgestattet hat, lebendig hörbar zu machen.