Tod des Traums von der ewigen Jugend

Bruno Rauch, Neue Luzerner Zeitung (20.06.2006)

Vec Makropulos, 17.06.2006, Zürich

Janáceks Oper «Makropulos» erstmals in Zürich: Im sperrigen Werk um ewige Jugend bringt Dirigent Philippe Jordan (32) Licht ins Dunkle.

In Janáceks vorletzter Oper geht es um ein Elixier, das ewige Jugend verleiht. Und um einen Erbprozess, der sich über Generationen hinzieht. Das Libretto, basierend auf einer Komödie von Karel Capek, ist derart komplex, dass es sich lohnt, die Story vorgängig zu studieren.

Die Sängerin Emilia Marty hat über dreihundert Jahre unter verschiedenen Namen in ganz Europa gelebt. Jetzt, 1922, kehrt sie nach Prag zurück, um die Wirkung des Lebenstranks zu erneuern. Dazu benötigt sie jenes Rezept, das ihr Vater Makropulos, Leibarzt Kaiser Rudolfs II., 1585 erfunden hatte. Und geht dafür buchstäblich über männliche! Leichen, bis sie selbst tot zusammenbricht.

Reise durch die Zeit

Am Samstag hatte das Werk nun erstmals am Opernhaus Zürich Premiere. Eine vage Bahnhofhalle, beleuchtet von zwei Reihen Pendellampen, wird von einer gigantischen Lokomotive in Frontalansicht beherrscht: Chiffre für die Lebensfahrten, Symbol für die Dynamik der Zeit? Ein zur Hälfte rot beziehungsweise blau bemalter Gazevorhang gliedert die Bühne in zwei Bereiche, abwechselnd von den Scheinwerfern der Lok beleuchtet. Zum Schluss setzt sich die Maschine dampfend in Bewegung; die inzwischen gealterte Protagonistin wird buchstäblich von ihrem eigenen Schicksal überrollt.

Rot und Blau sind auch die dominierenden Farben ihrer Kostüme, während die übrigen Figuren von Moidele Bickel zurückhaltend im Stil der 1920er-Jahre eingekleidet wurden. Wenige Versatzstücke, nur schemenhaft erkennbar, suggerieren die jeweiligen Schauplätze: Aktenturm, Wandtelefon und Sessel für die Advokatur; Rückansichten von Kulissen fürs Theater, wo die Diva auftritt; Schrankkoffer für ihr Hotelzimmer. Das lässt dem Ensemble genügend Aktionsraum, was Klaus Michael Grübers Regie subtil und sinnfällig nützt. Das permanente Dämmerlicht schafft eine stimmige, wenn auch etwas gleichförmige Atmosphäre, die manches im doppelten Sinn im Dunkeln belässt.

Vokale Tour de force

Inhaltliches und musikalisches Zentrum des Abends ist Gabriele Schnaut als grossartige Emilia Marty. Mit unglaublicher Präsenz bewältigt sie die gewaltige Partie und gewinnt der schillernden Gestalt mit schneidend kaltem und auch lyrisch weichem Stimmtimbre dämonische und verletzliche Facetten ab. Ihr Zerfall, gezeichnet von Alkohol und Zynismus, wird zum erschütternden Höhepunkt des Abends.

Trotz angekündigter Indisposition setzt Peter Straka als Emilias Verehrer (und unwissentlich ihr) Nachfahre Albert seinen etwas brüchig gewordenen Tenor mit packender Intensität ein. Der Luzerner Alfred Muff verleiht dem gegnerischen Baron Prus berechnendes Profil, Rolf Haunstein gibt einen untadeligen Anwalt Kolenaty. Unter den zahlreichen kleineren gut besetzten Rollen berührt Boiko Zvetanov als irre gewordener Ex-Liebhaber.

Philippe Jordan gelingt es, Farbreichtum und Sprödigkeit der dichten Partitur wunderbar herauszuarbeiten. Bei aller gesteigerter Expressivität und fulminanter Attacke belässt sein energetisches Dirigat den Sängern Raum und Atem für die in diesem Werk so wichtige deklamatorische Prägnanz.