Verena Naegele, St. Galler Tagblatt (19.10.2009)
Atmosphärenreiche Bilder, jedoch ein undifferenzierter, dicker Klang prägen die «Butterfly»-Premiere am Opernhaus Zürich.
Oper zum Schwelgen präsentiert Zürich mit Puccinis «Madama Butterfly», und doch bleibt am Schluss ein Achselzucken, und leise sagt man «Servus». Regisseur Grischa Asagaroff steht für klassische Inszenierungskunst, für genaues Lesen und Umsetzen der Vorlage ohne Suche nach Subtext oder psychologisierender Neudeutung. Das ist auch bei seiner Butterfly nicht anders: Pinkerton ist der leichtlebige Dandy, der zum reuigen Gentleman mutiert, Sharpless der zögerliche Konsul, Butterfly das zierliche Jungfräulein, das dann als gedemütigte Frau den Freitod wählt.
Feine optische Dramaturgie
Die operettenhafte Rührseligkeit des Stoffes, für die man Puccini immer wieder gescholten hat, sie feiert hier scheinbar Urständ. Und doch bleiben gerade die starken, zuweilen schablonenhaften Bilder positiv in Erinnerung haften. Asagaroff hat mit seinem Ausstatter Reinhard von der Thannen eine feine optische Dramaturgie geschaffen, die durch den Abend trägt.
Im Mittelpunkt steht das dreistöckige weisse, quadratische «Geschenk-Haus» Pinkertons, das im Lauf des Abends durch Hochfahren der Wände immer mehr von seinem Innenleben preisgibt. In diesem Ambiente werden Farbtupfer gesetzt, seien es die glutroten, an japanische Lampions erinnernden Lampen bei der Hochzeit, seien es die vom Himmel herunterregnenden, in Rotfarben schillernden Blütenblätter im zweiten Akt. Dazu ist alles wunderbar stimmungsvoll ausgeleuchtet (Martin Gebhardt), und die drei an traditionelle japanische Tuschzeichnungen erinnernden Videoanimationsfilme vermitteln einen zusätzlichen atmosphärischen Reiz.
Der Teppich wäre also bereitet für einen musikalischen Höhenflug, zumal mit Neil Shicoff ein Crack der Szene den Pinkerton sang. Doch gerade hier folgte die grosse Enttäuschung, denn Carlo Rizzi am Pult des Opernhausorchesters wurde seiner Reputation bei weitem nicht gerecht. Schon der Beginn liess mit verwackelten Einsätzen nichts Gutes erahnen. Puccinis Partitur besteht aus einer Musik der kleinen Dinge mit feinnerviger Instrumentation und einer weichen, klangsinnlichen Melodik. Rizzi aber dirigierte pauschal, massig und hart.
Sänger in Klangmassen
Da hatte es auch das Ensemble schwer. Neil Shicoff verfügt zwar noch immer über einen weichen, gut geführten und in der Höhe strahlenden Tenor, italienische Stimmkultur vom Feinsten. Aber im Parlando müsste seine energetische Wucht zugunsten von mehr Leichtigkeit gebändigt werden. Die Monsterrolle der Cio-Cio-San singt die Chinesin Xiu Wei Sun mittlerweile mit Erfolg auf der ganzen Welt. Ihre metallische Stimme ist allerdings gewöhnungsbedürftig und kommt in der Klangmasse des dramatischen zweiten Teils weit besser zur Geltung als zum lyrischen Beginn. Einen differenzierten, mit dem Schicksal Butterflys ringenden Sharpless stellt Cheyne Davidson auf die Bühne, während Andreas Winkler als Goro mit seiner leichten, agilen Stimme Mühe bekundete, musikalisch durchzukommen.
Der eigentliche Star aber war Judith Schmid als Suzuki: Mit ihrer Ruhe und Kraft ausstrahlenden Präsenz und weich und präzis geführten Stimme harrt sie an Butterflys Seite aus und kontrapunktiert so den Orchester-Orkan in anrührender Weise. Am Schluss sitzt man da, berührt von stimmungsvollen Bildern und erschlagen von kraftstrotzender Musik. Entsprechend verhalten war der Applaus.