Eine japanische Soap mit bitterem Ende

Bruno Rauch, Der Landbote (19.10.2009)

Madama Butterfly, 17.10.2009, Zürich

Bühnenbild und Regie lassen im Opernhaus Zürich die Geschichte von Puccinis «Butterfly» zeitlos erscheinen.

Mit «Madama Butterfly», so Giacomo Puccini, habe er die modernste seiner Opern geschaffen. Auch seine zeitloseste, könnte man mit Blick auf die Handlung hinzufügen. Tatsächlich entbehrt das Schicksal der Cio-Cio-San, genannt Butterfly, nicht des traurigen Aktualitätsbezugs. Eine Asiatin wird einem Mann aus fremdem Kulturkreis, anderer Gesellschaftsschicht angetraut. Doch bald hat er den Reiz des Exotischen satt und lässt sie fallen, schwanger.

Bühnen- und Kostümbildner Reinhard von der Thannen hat ein luftiges, abstraktes Bühnenbild in Weiss geschaffen, das sich an der minimalistischen Ästhetik Japans orientiert: ein paar verschiebbare Wände, ein turmartiger Aufbau mit einer Wendeltreppe. Später signalisieren Sternenbanner und die Gegenfarbe Schwarz das Eindringen der fremden Kultur. Anstelle der Buddha-Statue steht eine Marienfigur. Paneele und Wände weichen zurück; die zuvor diskret kaschierte Struktur des Haus wird blossgelegt: ein subtiles Bild für die zunehmende kulturelle Unbehaustheit der Betrogenen. Erst am Ende wird sie wieder in ihren Kimono zurückfinden – zum rituellen Selbstmord.

Subtile Bilder, subtile Regie

Schwarz-weisse Kostüme verbinden Tradition und Moderne. Das Artifizielle der Gestik oder die Masken der Geishas schaffen ein beklemmendes Korsett, das wenig Spielraum für Emotionen belässt. Videoprojektionen zwischen den Akten, inspiriert von japanischer Kalligrafie, zeigen Bilder von stilisierten Vogelschwärmen, schwankenden Bambusrohren, fallenden Blättern. Auch Grischa Asagaroffs solide Regie trägt der kammermusikalischen Intimität des Seelendramas Rechnung, indem sie auf exaltierte Theatralik verzichtet. Doch schafft sie durch raffinierte Lichtführung oder einen zauberhaften Blütenblätterregen magische Momente. Weniger einhellig fällt die Beurteilung der musikalischen Seite aus. Nach einem wenig differenzierten lauten 1. Akt finden Dirigent Carlo Rizzi und das Zürcher Opernorchester zu sensibleren Tönen. Obgleich die straffe, konzise Lesart noch immer vorherrscht, gewinnen zunehmend Melos und Plastizität an Raum und Ausdruckskraft. Neil Shicoff als alternder Pinkerton stemmt zwar die Spitzentöne noch immer kraftvoll in die Höhe. Seinem Tenor jedoch mangeln Glanz und Schmelz.

Die Chinesin Xiu Wei Sun bringt zwar von der Person und der schauspielerischen Leistung die idealen Voraussetzungen mit für die Rolle der Butterfly. Ihren vibratoreichen Sopran wünschte man sich inniger, blühender. Dennoch gewinnt er im Laufe des Abends an emotionaler Tiefe. Profiliert besetzt sind die kleineren Rollen mit Judith Schmid (Suzuki), Andreas Winkler (Goro) und Cheyne Davidson (Sharpless). Und nicht zu vergessen der hervorragende Chor. Sein ätherisch intonierter Summ-Chor gehört zum Intensivsten des Abends, reflektiert er doch die voraussehbare Tragik und naive Sehnsucht des Schmetterlings mit den gebrochenen Flügeln.