Märchenhafte Fabel

Tobias Gerosa, Der Bund (17.10.2006)

Príhody Lisky Bystrousky, 15.10.2006, Zürich

Märchenhafter Augenzauber mit Tiermasken, tanzenden Mückenschwärmen und putzigen Tierkindern, dazu ein Dirigent, der das Orchester süffig schwelgen lässt, und ein stimmiges Ensemble: Leos Janáceks «Schlaues Füchslein» feierte in Zürich eine einhellig umjubelte Premiere.

Fünfzehn Premieren stemmt das Opernhaus Zürich pro Saison - die neuste Produktion, Leos Janáceks «Abenteuer der Füchsin Schlaukopf», besser bekannt unter dem Titel «Das schlaue Füchslein», kam mit vollständig anderer Besetzung allerdings schon vor gut fünf Jahren an der Deutschen Oper Berlin heraus (dem Haus mit der Kontroverse um den aus Terrorangst abgesagten «Idomeneo»). Spielte man dort noch die deutsche Übersetzung, hat man für die Zürcher Neueinstudierung glücklicherweise wieder das tschechische Original gewählt.

Die Faszination von Janáceks ganz der gesprochenen Sprache angeschmiegten Musik erschliesst sich in Übersetzungen einfach nicht. Das fällt sogar auf, wenn man vom Tschechischen nichts versteht, vor allem wenn Muttersprachler neben Fremdsprachigen singen wie in Zürich Martina Jankova in der Titelpartie der jung gefangenen, dann ausgebrochenen und schliesslich als vielfache Mutter getöteten Füchsin Schlaukopf. Jankova singt und spielt mit anrührender Natürlichkeit, die sie zu einer idealen Besetzung macht.

Positive Naivität

Katharina Thalbach hat mit dieser Inszenierung den Quereinstieg in die Opernregie geschafft. Ihre Inszenierung besticht ganz direkt durch ihre Farbigkeit und einer positiv verstandenen Naivität, die dem Stück durchaus angemessen ist. Janácek bringt den natürlichen Rhythmus von Werden, Sein und Vergehen am Beispiel des Waldes auf die Bühne: ein Mikrokosmos von Tieren und Pflanzen, eine (fast) heile Welt, in die der Mensch als missmutiger, erbärmlicher Säufer und Vor-sich-hin-Existierer eindringt.

Revolution gegen den Gockel

Ezio Toffoluttis üppige Ausstattung, die ihre Theatralität durch Zweidimensionalität betont und gleichzeitig vorgibt, illusionistisches Bilderbuch zu sein, macht das überdeutlich, wenn der Förster durch einen riesenhaften, zertrampelnden Bergschuh oder einen nicht minder grossen Gewehrlauf präsent ist.

Hier, wie in der Szene, wo die gefangene Füchsin die Hühner zur Emanzipation, ja Revolution gegen ihren Gockel aufruft, würde im Stück noch mehr soziale Sprengkraft stecken.

Genaues Gewimmel

Thalbach nimmt dies in feinen Verfremdungen auf: Wenn der Gockel in einer Art Uniform erscheint, der Wachhund im Blaumann oder die Hühner ihre Eier brav wie am Fliessband selber abliefern. Da ist kein Zeigfinger, aber wer hinter die bunten Bilder schauen will, kann die Risse erkennen.

In der Musik sucht man sie eher vergebens. Adam Fischer setzt ganz auf spätromantischen Schönklang und gibt dem also sperrig geltenden Janácek erstaunlich viel Süffigkeit, blendet dafür aber Kanten aus und ebnet rhythmische Aspekte bei mässiger Exaktheit ein. Mehr denn als Gestalter erweisen sich Fischer und das Opernhausorchester diesmal als Begleiter der Bühne.

Die Phantasie in den Wimmelszenen, die witzigen kleinen Überleitungen vor dem Vorhang während der Umbauten und die charakteristisch tierischen Bewegungsmuster (Choreografie Darie Cardyn) machen Spass, weil sie durchwegs genau erarbeitet sind.

Prägnante Stimmen

So bekommen die drei Dutzend kleinen und kleinsten Rollen alle ihr Profil, wobei die zentrale Wald- und Tierwelt oft rein instrumental geschildert wird und die zweifelhaften Menschen die grössten Partien zu singen haben. Oliver Widmer (Förster) und Peter Straka (Schulmeister und Dackel - eine der vielen Doppelrollen, die allerdings keine über das Praktische hinausreichende Bedeutung haben) verleihen ihren Rollen auch vokal starke Ausprägung.