Ein Flugzeug hebt ab

rud, Mannheimer Morgen (11.11.2009)

Aus einem Totenhaus, 08.11.2009, Basel

Den Pelzmantel, den der Gefängnisaufseher (angsteinflößend: Andrew Murphy) trägt, hat man schon einmal gesehen. Bei Calixto Bieitos letzter Basler Inszenierung schmückte er bereits Marisol Montalvo als Lulu. Ein Kleidungsstück wird zweitverwertet (Kostüme: Ingo Krügler). Betrachtet man Bieitos heftig beklatschte Fassung von Janáceks düsterer, letzter Oper "Aus einem Totenhaus", so kommt einem vieles bekannt vor: die explizite Darstellung von Gewalt, der Ekel, die schmutzige Sexualität.

Bieito macht das brutale Stück, das von Erfahrungen in einem sibirischen Arbeitslager erzählt, noch brutaler. Als Schapkin (Karl-Heinz Brandt) davon berichtet, wie ihm nach einem Diebstahl an den Ohren gerissen wurde, schneidet er einer der zahlreichen Leichen ein Ohr ab. Zwischendurch werden ein paar Gefangene exekutiert. Bieitos düstere Welt kennt kein Licht.

Dabei enthält Janáceks, auf einem autobiografisch gefärbten Roman Dostojewskis basierende Oper durchaus andere Schattierungen. "In jedem Geschöpf ist ein Funke Gottes" steht als Motto über der Partitur. In vielen Rückblenden erzählen die Gefangenen von ihrem Schicksal und erhalten so ein Gesicht in der anonymen Masse. Am Ende keimt zumindest etwas Hoffnung auf, wenn Aleksander Petrowitsch Gorjantschikow (Eung Kwan Lee) die Freiheit erlangt.

Das ist zu viel Positives für Bieitos Zynismus, der Entlassene wird in Basel kurzerhand abgeknallt. Auch sonst dominiert die Szene die Musik, zumal immer wieder Trampelgeräusche des Chores die feingliedrigen Orchesterklänge übertönen. Das Orchester Basel spielt unter Gabriel Feltz solide. Rolf Romei überzeugt mit leisen Tönen als verrückt werdender Skuratow, Ludowit Ludha (tenoral gestählter Luka Kusmitsch) und Claudio Otelli (dröhnender Schischkow) setzen weitere Akzente. Am Ende schwebt das riesige Doppeldeckerflugzeug (Philipp Berweger) von der zugemüllten Bühne - das Einzige, was an diesem Abend abhebt.