Reden wir besser nicht vom Frauenbild

Verena Naegele, Basler Zeitung (24.11.2009)

Il corsaro, 22.11.2009, Zürich

Verdis Frühwerk «Il Corsaro» am Opernhaus

Eine Verdi-Oper als schweizerische Erstaufführung: Entweder ist das eine Sensation oder ein ganz besonders verstaubter «Schinken».

Bei der Produktion von Verdis «Il Corsaro» in Zürich hat man die Qual der Wahl, denn einem faszinierenden Spektakel steht eine musikalische Seite von betrüblicher Qualität gegenüber. In Verdis 1848 in Triest uraufgeführtem Melodramma tragico haben Verdis Galeerenjahre deutliche Spuren hinterlassen. Der Plot ist dürftig, die Figuren sind stereotyp und die Musik schablonenhaft und über weite Strecken uninspiriert.

Intensiv. Besonders ärgerlich sind die Frauenfiguren: Medora, Verlobte des Corsaren und jammernd einsam auf der Insel ihrem Geliebten nachtrauernd, Gulnara, die Sklavin von Seid, die im ersten Augenblick der Befreiung dem «herrlichen Piratenhelden» verfällt und ihm nachrennt. Keine guten Voraussetzungen für eine spannende Inszenierung.

Regisseur Damiano Michieletto versucht gar nicht erst, eine Geschichte zu formen, er macht mit Bühnenbildner Paolo Fantin und Lichtgestalter Martin Gebhardt eine Kunstinszenierung von berückender Intensität bei raffinierten Verwandlungen. Getreu dem vagabundierenden Charakter Corrados steht die Bühne während des gesamten Abends im Wasser. Im glitzernden Nass schwimmt einmal das Bett Medoras, dann wieder wird es geteilt durch ein rotes Podest, auf welchem Bösewicht Seid sein Unwesen treibt.

Eine schräg aus dem Bühnenhintergrund hochgezogene Spiegelwand reflektiert das Geschehen, zeigt etwa im Schlussbild die im Wasser verstreuten weissen Rosen oder lässt die ganz in Rot gekleideten Haremsdamen in der verzerrten Perspektive als kaleidoskopisches Kabinett erscheinen. Das Auge kann sich nicht sattsehen an dem bunten Treiben aus Licht und Farbe, sodass man zuweilen die Musik fast vergisst.

Irritierend. Ach ja, die Musik. Elvind Gullberg Jensen am Pult des biederen Opernhausorchesters kämpft mit zum Teil gravierenden Abstimmungsproblemen zwischen Bühne und Graben, denn die Spiegelwand bildet einen akustisch heiklen Hohlraum, der hörbar irritiert. Vittorio Grigolo als Corrado singt ebenso eindimensional laut wie Juan Pons als Gegenspieler Seid, dessen vibratoreiche Stimme den Zenit überschritten hat.

Die koloraturgespickte Rolle der Gulnara ist zwar bei der kraftvollen Carmen Giannattasio gut aufgehoben, doch einsamer Lichtpunkt ist Elena Mosuc, die Medoras schöne Romanze differenziert und mit Melos singt. Sängerisch wie optisch gibt der Chor einen zusätzlichen Farbtupfer.