Zwei Frauen und ihre Sicht auf die Männer

Thomas Meyer, Tages-Anzeiger (12.12.2009)

Ariane, 10.12.2009, Luzern

Es gibt sie nun mal, diese reizvollen, aber nicht abendfüllenden Operneinakter, die man irgendwie zu einem grossen Programm kombinieren muss. Wie, so muss sich eine intelligente Regie fragen, könnte man diese Stücke verbinden, damit sich ein übergeordneter Sinn ergibt - zum Beispiel Maurice Ravels wunderbares Komödchen «L’heure espagnole», uraufgeführt 1911, und Bohuslav Martinus späte lyrische Oper «Ariane», uraufgeführt 1961. In der ersten ist eine Uhrmacherfrau auf der Suche nach einem potenten Liebhaber; in der zweiten wird der Mythos von Theseus und Ariadne auf tiefenpsychologische Weise umgedeutet. Was dabei gemeinsam sein könnte: die unterschiedliche Sicht zweier Frauen auf die Liebe und die Männer. Die junge, aus Deutschland stammende Regisseurin Christine Cyris verknüpft die beiden Stücke zunächst einmal vordergründig, indem sie zu Beginn und zum Schluss des einen die Protagonistin des jeweils anderen Stücks auftreten lässt: Zwei gegensätzliche, aber gleichermassen enttäuschte Schwestern verbünden sich hier. Ob das für eine Verbindung ausreicht? Um den Gegensatz zu betonen, konzipierte Werner Hutterli sein Bühnenbild als Umkehrung: Im Uhrenladen Ravels hängen die Pendel herunter, bei Martinu sind verkehrt herum nun Metronome zu sehen. Wenn sie hin- und herpendeln, ergibt das zuweilen einen ganz eigentümlichen, fast hypnotisierenden Hintergrund, aber vom Stück her lässt es sich allenfalls bei Ravel begründen. Das komödiantische Hin und Her bei Ravel wird besonders von der Hauptdarstellerin Concepción (Caroline Vitale) weidlich ausgenützt. Da ergeben sich witzige Momente. Manchmal freilich hätte man in diesem fein gewobenen Stück doch etwas mehr Verve und gelegentlich eine zündende Pointe mehr erwartet. In dieser Hinsicht war das Bühnenbild mit seinen Pendeln manchmal förderlich, manchmal hinderlich. Und auch vom Orchestergraben aus blitzte die so wunderbare Musik Ravels nur gelegentlich auf.

Mit Martinus gröber gestrickten Partitur kam das Luzerner Sinfonieorchester unter Leitung von Rick Stengards viel leichter zurecht. «Ariane» ist ein Stück, das die antike Sage eigenwillig interpretiert, und dies mit einer rätselhaft eklektizistischen und dadurch sehr unmittelbar wirkenden Musik. Auch wenn die Inszenierung hier in der Deutung zuweilen etwas unschlüssig und verfahren wirkte, bleiben dank der beiden Hauptdarsteller Madelaine Wibom (Ariadne) und Tobias Hächler (Theseus) starke Momente in Erinnerung.