Wo knallbunte Klappmäuler zu Opernstars avancieren

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (12.01.2010)

Dido and Aeneas, 10.01.2010, Bern

Seit drei Jahrzehnten verblüfft der gebürtige Australier Neville Tranter mit seinen Puppen die Theaterwelt. In Bern brachte er am Sonntag Henry Purcells Oper «Dido und Aeneas» zur Premiere - ein magischer Theaterabend.

Sie bestehen aus nichts anderem als einem grossen Kopf und zwei überdimensionierten Händen, sie haben grosse Augen, wilde Frisuren und vor allem ein riesiges Klappmaul, mit dem sie die Sprache oder den Gesang der Schauspieler verdoppeln und eindrucksvoll verstärken: Die Puppen von Neville Tranter haben Theatergeschichte geschrieben. Seit über 30 Jahren hat der Sohn eines australischen Bergarbeiters mit seinem «Stuffed Puppet Theatre» und seinen witzigen, manchmal bitterbösen oder komplett absurden Stücken die ganze Welt begeistert. 1978 blieb er in Amsterdam hängen und lebt seither in Holland.

Das Opernpublikum begeistert

Vor zwei Jahren brachte Tranter zusammen mit dem Berner Barockensemble «Die Freitagsakademie» Georg Friedrich Händels Oratorium «Acis und Galatea» auf die Bühne und begeisterte quer durch die Schweiz auch das Opern- und Musikpublikum mit seinen Klappmäulern. Den damaligen Grosserfolg versuchen Tranter und das Ensemble nun mit Henry Purcells Barockoper «Dido und Aeneas» zu wiederholen. Die Premiere am Sonntag im Stadttheater Bern zeigte, dass ihnen dies gelingen dürfte: Vom ersten Moment an funktionierte die Magie dieses Puppentheaters, nahmen die Klappmäuler und ihre sprechenden Hände gefangen. Tranter war umgeben von sechs Sängern, die - schwarz gekleidet - hinter der Farbigkeit und Agilität der Puppen verschwanden. Viel brauchte es nicht, wenige Gesten und Bewegungen genügten, um Aufmerksamkeit zu erregen und Bilder und Momente voller Poesie zu erschaffen.

Ein gefundenes Fressen waren natürlich die Hexen, die in Purcells Oper das Liebesglück der karthagischen Prinzessin und ihres trojanischen Prinzen zerstören. Und in waschechter Tranter-Manier trieb da auch noch der Kater Garfield sein Unwesen.

Hochvirtuose Gesangslinien

Aber auch musikalisch war das Niveau hoch: Die Sänger meisterten souverän neben der ungewohnten szenischen Aktion auch die teils hoch virtuosen Gesangslinien Purcells. Vor allem Ulrike Hofbauer als Belinda und Georg Poplutz als Aeneas überzeugten sängerisch, während Susanne Rydén als Dido manchmal etwas mit der Intonation und Präzision zu kämpfen hatte, und Anne Schmid als Zauberin mit der tiefen Lage ihrer Partie nicht ideal zurecht kam.

Das Instrumentalensemble unter der Leitung des Cembalisten Jörg-Andreas Bötticher dagegen konnte aus dem Vollen schöpfen, machte mit instrumentaler Virtuosität, stilsicherer Rhetorik und klanglicher Farbigkeit aus Purcells oft verblüffend reicher Partitur ein prächtiges Barockgemälde voller zündend-temperamentvoller Tänze, aber auch chromatisch klagender Traurigkeit. Insbesondere überzeugte auch die reiche und vielseitige Ausführung des Generalbasses mit Cembalo, Bass, Cello, Laute und Barockgitarre.

Wer für diesen zauberhaften Opernabend nicht nach Bern reisen mag, kann schon in Wädenswil im Kanton Zürich aus dem Zug aussteigen: Das Teatro Ticino ist Koproduktionspartner und zeigt das Stück ab heute Abend.