Harnoncourts «Idomeneo» geht schief

Verena Naegele, St. Galler Tagblatt (22.02.2010)

Idomeneo, Rè di Creta, 20.02.2010, Zürich

Ein enttäuschender «Idomeneo» ist in Zürich zu erleben. Regie und Dirigat in einer Hand, das geht offensichtlich auch bei Familie Harnoncourt nicht.

Nikolaus und Philipp Harnoncourt heisst in Zürich überraschenderweise das Inszenierungsteam, und im Programmbuch äussert der Maestro, der unlängst seinen 80. Geburtstag feiern konnte, auch die Gründe für diesen ungewöhnlichen Schritt.

Hohe Ansprüche

«Ich habe nie eine Inszenierung von gesehen, die dem Werk gerecht wird», erklärt Harnoncout.

Eine hohe Latte, die er sich und seinem Sohn da setzt und an der er – man muss es leider sagen – kläglich scheitert. Ohne Erzählfaden wird da Szene an Szene gereiht, plumpe Operngestik und (Chor-)Rampensingen prägen den Abend. Als französische «tragédie lyrique» versteht Harnoncourt Mozarts Idomeneo, und so fügt er am Schluss die Ballettmusik der Oper ein, lässt auch die Divertimenti an den Aktschlüssen tanzen und bringt den rächenden Meeresgott Neptun als Tanzsolo auf die Bühne.

Spoerli theatralisches Gespür

Für die Choreographie dieser Teile zeichnet kein Geringerer als Heinz Spoerli, der dabei mit Abstand am meisten theatralisches Gespür offenbart, damit aber die unbeholfene Regie arg konkurrenziert. Am eindrücklichsten zeigt sich diese Konstellation in der grossen Arie des Idomeneo, in der Tenor Saimir Pirgu auf der Bühne herumirrt, derweil die Aufmerksamkeit Arman Grigoryan als Neptun gilt.

Überlange Generalpausen

Überhaupt ist die Personenführung an diesem Abend weitgehend inexistent, keine der Figuren kann ein stringentes Profil entwickeln, was – seltsamerweise für einen Dirigenten dieser Provenienz – sich auch negativ auf die Musik auswirkt. Die Musik wirkt zerklüftet, Harnoncourt frönt in ungebremster Manier seinem Hang zu überlangen Generalpausen und scharfen Akzenten, eine dramaturgische Dichte stellt sich leider zu selten ein.

Wunderbare Highlights dann aber die zweite Arie der Elettra «Idol mio, se ritroso», die Eva Mei als Dame mit Federhut in vollendeter Theatralik auf die Bühne zaubert. Oder das Duett Idamante und Ilia «S'io non moro», in dem die farbenreichen Stimmen von Marie-Claude Chappuis und Julia Kleiter zu einer Einheit verschmelzen.

Mit Gags überfrachtet

In solchen Momenten vergisst man die zuweilen arg mit Gags überfrachtete Regie, wie das Flower-Power-Kostüm der Ilia, der Comic-Auftritt des armen Arbace (Christoph Strehl), bei dem die grosse Arie «Se colà» ziemlich verwackelt gerät, oder die seltsamen Tarnanzüge der Trojaner. Manches mag auch an der kleinen Zürcher Bühne gelegen haben, die in einem Stück, wo sich Ballett und Chor begegnen, unweigerlich Platzprobleme mit sich bringt. Vor allem, wenn zwei Abgänge über den hochgefahrenen Orchestergraben führen.

Unsauberes Orchester

So gab es Szenen, wo die Musik schon vorbei war, während der Chor noch vor der schmalen Treppe wartete, um durch den Zuschauerraum abzugehen. Sicher, das Verwischen der Grenzen von Szene, Orchestergraben und Publikum hat seinen Reiz, und das Verschmelzen der auf der Bühne spielenden Instrumentalisten mit Julia Kleiters makellosem Sopran in der Arie «Se il padre perdei» ist an sich schön. Aber solche Raffinessen gelingen nur, wenn sie punktgenau inszeniert wären.

Auch das farbenreiche, hochgelobte Orchester La Scintilla hatte manche Unsauberkeit zu verzeichnen. Ob da wohl die Probezeit zu kurz war?