Auge und Ohr am Waldboden

Herbert Büttiker, Der Landbote (17.10.2006)

Príhody Lisky Bystrousky, 15.10.2006, Zürich

Viel Applaus für «Das schlaue Füchslein», das in Zürich als grosses Ausstattungstheater gezeigt wird und an der Premiere mit wachsender musikalischer Verve begeisterte.

Die Musik zu Janaceks 1924 uraufgeführter Tieroper «Das schlaue Füchslein» ist in ihren Elementen immer wieder betörend schlicht, aber wie sie sich kaleidoskopartig entfaltet im vielfältigen Wechsel der Harmonien und Rhythmen macht sie zur Avantgarde ihrer Zeit. Aber darin geborgen ist auch das kleine Genrebild des Wald- und Tierlebens, das Summen der Fliegen, der Gesang der Vögel, und dieses Zusammengehen von grossem sinfonischem Gestus und Naturlaut gehört zur Faszination dieser Oper, und ihr gilt es auch szenisch gerecht zu werden. Die Inszenierung im Opernhaus Zürich, die einer Produktion der Deutschen Oper Berlin aus dem Jahr 2000 nachgebildet ist, leistet Grandioses auf der einen Seite: sozusagen mit Auge und Ohr am Waldboden. Etwas zu kurz kommt der Blick in den Makrokosmos, kommt das Ohr für Janaceks sinfonischen Naturhymnus voller Melancholie und Ekstase. An ihrer klanglichen Vergegenwärtigung durch Chor und Orchester liegt es nicht. Unter der Leitung von Adam Fischer musizieren sie mit poetischer Souplesse und tänzerischem Flair.

Katharina Thalbach, die Schauspielerin, die eine erfolgreiche Regiekarriere gestartet hat, hält sich mit aller Liebe, mit Detailfreude und Humor an die Erzählung, und der Ausstatter Ezio Toffolutti geht ihr mit unglaublicher Phantasie zur Hand, und möglicherweise auch umgekehrt. Nicht alle Schlauheiten der Füchsin werden präzis nachgezeichnet (die Überlistung des Hahns!), aber viel Köstliches im Einzelnen, von der Schnecke, die über das Bühnenportal wandert, bis zur Stechmücke, die den Kopf des Försters anbohrt, gibt es zu sehen, und überaus bewundernswert sind die vielfältigen Tiermasken in ihrer Schönheit und Skurrilität.

Tierische Spielfreude

Der Eindruck, dass das Dickicht der Fauna und Flora der Bühne die Atmosphäre verdrängt, mag mit der Schwierigkeit zu tun haben, die materialreiche Ausstattung auf die relativ kleine Zürcher Bühne zu übertragen. Aber es hat auch mit Entscheidungen der Regie zu tun. Das zeigt etwa die Verwandlungsmusik im ersten Akt. Der deftig-komische Auftritt der Hühner beendet den Zauber der geheimnisvollen Enthüllung der Identität von Füchsin und Frau allzu schnell. Die Choreografie (Darie Cardyn), die sich hier für einmal zur Revue verfestigt, trägt in den Waldbildern mit viel Einzelaktion zum Eindruck betriebsamer Vordergründigkeit bei. Diese bedeutet aber natürlich auch Spielfreude für eine grosse Zahl Beteiligter, für die Mitglieder der Ballettschule für das Opernhaus, die als Fliegen umherschwirren, für Mitglieder des Opernstudios, die in allen Gattungen, als Heuschrecke, Schopfhenne oder Mensch zum Einsatz kommen, und für zahlreiche Ensemblemitglieder in grösseren und kleineren Partien.

Um nur die wichtigsten zu nennen, deren Charakter sich durch Nähe und Ferne zum Wald definiert: Betrunken stolpern der Schulmeister und der Pfarrer mit ihren unglücklichen Liebesgeschichten über Stock und Stein und erhalten komisches Format von Peter Straka und Pavel Daniluk. Mit Verschlagenheit und mit guter Beute bewegt sich Harasta, der Wilddieb, durchs Dickicht. Die entsprechende Durchsetzungskraft gibt ihm hervorragend Valeriy Murga. Ein eigentliches Doppelleben führt der Förster, der als Hausherr über Frau, Hund und Hühner regiert, aber sich am liebsten im Wald aufhält. Oliver Widmer gibt den Schwerenöter ohne komische Übertreibung, aber auch ein wenig blass. Zu sich selber kommt die Figur im grossen Monolog der Schlussszene, auch wenn die Zeichen (der Schuh) hier verquer gesetzt sind und die Inszenierung diese eigentliche Hauptfigur des Stücks überhaupt wenig hinterfragt.

List und Lust

Einfach hat es die Regie mit der zweiten Hauptfigur: Martina Jankova ist mit hellem, geradem, in der Höhe auch schneidendem Sopran darstellerisch und musikalisch ein Ausbund füchsischer Lebendigkeit. Ob mit oder ohne Tiermaske wie in der Liebesszene mit dem drolligen Liebhaber (Judith Schmid) strahlt sie vor List und Lust zwischen revolutionärer Pose vor den dummen Hühnern und anmutiger Hingabe an ihre nachkommenreiche Familie.