«Figaro» in Pop-Art überzeugt im Theater Basel Aug und Ohr

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (27.03.2010)

Le Nozze di Figaro, 25.03.2010, Basel

Mozarts «Nozze di Figaro» ist eine tolle Geschichte. Man muss sie einfach nur gut erzählen. Und dies ist dem Schauspielregisseur Elmar Goerden und dem Dirigenten Mario Venzago am Donnerstag in Basel gelungen.

Wir sind bei Abzockers zuhause. Er investiert seine Boni in Sportausrüstungen und Grosswildjagden, sie in die Füllung ihrer fünf Meter hohen Kleiderschränke. Die Villa - im letzten Akt wird auch klar, dass sie an den Hängen hoch über Hollywood liegen muss - sieht dementsprechend aus: grosszügig, von Silvia Merlo und Ulf Stengl modern eingerichtet, mit einem gigantischen Pop-Art-Häschen in Figaros Zimmer, das ein Vexierbild ist: Je nachdem, wie man es anschaut, guckt es ganz verzweifelt, oder es lacht. Und das passt.

Leise Töne mit Bedacht eingesetzt

Mozarts «Figaro» ist eine Komödie, aber von vielen Regisseuren schon auf sein Potenzial zum Tragischen abgeklopft worden, das in einigen Arien durchaus anklingt. Elmar Goerden hat sich für das Lachen entschieden. Der deutsche Schauspielregisseur - dekoriert mit Einladungen zum Berliner Theatertreffen und den Salzburger Festspielen, heute Intendant in Bochum - hat in seiner ersten Arbeit für die Opernbühne die «Figaro»- Geschichte mit einem engagierten, schauspielerisch begabten Ensemble virtuos in die Gegenwart katapultiert. Das funktioniert problemlos: Reiche Herrschaften, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihrer Dienerschaft nachstellen, sind seit Beaumarchais nicht ausgestorben, und auch alles andere lässt sich dank einem herausragenden Regiehandwerk und der subtilen Beachtung aller Details ohne Verluste im Hollywood von heute erzählen. Nur ganz selten zeigt Goerden, dass es doch Abgründe in dieser quirligen Kaskade von Verwirrungen, Verkleidungen und Intrigen gibt, Momente des Surrealen, die gerade deshalb stark wirken, weil sie so sparsam eingesetzt werden.

Brillant in Klang und Darstellung

Aber nicht nur die szenische Seite begeisterte, auch musikalisch war dieser Mozart vom Feinsten. Mario Venzago kehrte zurück zum Basler Sinfonieorchester, und er zauberte einen stets beweglichen, dabei nicht immer schnellen, sondern bewusst variabel in den Tempi gestalteten Mozart aus den engagiert mitgehenden Orchestermusikern heraus, die mit historischen Blasinstrumenten auftrumpften und auch sonst ein sehr durchsichtiges und vielfältiges Klangfarbenspektrum zeigten.

Ein bewegliches, jugendliches Ensemble nahm Venzagos differenzierte Dynamik gerne auf und brillierte in allen Partien. Ob Jacquelyn Wagner als Gräfin oder Maya Boog als Susanna, Eung Kwang Lee als Figaro oder Franziska Gottwald als Cherubino, weder in den differenziert gestalteten und besonders subtil auf einem Fortepiano begleiteten Rezitativen noch in den grossen Arien blieben Wünsche offen. Aus dem Opernstudio wurde Eugene Chan als Conte Almaviva auf die grosse Bühne katapultiert, was ihm nie anzumerken war: Athletisch und mit viel Körpereinsatz sang und spielte er die zunehmende Verwirrtheit des Grafen.

So leicht kann Oper sein, wenn man es denn kann. Der Höhenflug des «Opernhauses des Jahres» geht ungebremst weiter. Und erhielt nicht nur weiter Schub durch diese in jeder Hinsicht begeisternde Produktion, sondern auch durch die Nachricht, dass der Kanton Basel-Landschaft seine Subventionen an das Theater glatt verdoppeln will: 17 Millionen Franken mehr für vier Jahre sollen es ab dem Jahr 2011 werden. Zwar ist der Vertrag noch nicht im Trockenen, denn natürlich stellt sich die SVP dagegen. Deswegen wird das Volk in dieser Sache das letzte Wort haben. Aber je mehr Baselbieter Stimmbürger diesen «Figaro» sehen, desto sicherer wird diese Abstimmung gewonnen werden.