Witzig-frische Inszenierung, musikalisch aber zu brav

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (03.04.2010)

La finta giardiniera, 01.04.2010, Bern

Eine junge, frische Inszenierung der turbulenten Opernkomödie «La Finta Giardiniera» des jungen Mozart sorgte am Gründonnerstag für fröhliche Gesichter im ansonsten aktuell eher düster gestimmten Berner Stadttheater.

Noch kein Geniestreich, aber herausragende Elemente dazu und der Beweis eines enormen kreativen Potenzials. Sowohl auf Wolfgang Amadeus Mozarts Jugendoper «La Finta Giardiniera» wie auf die Inszenierung der dänischen Regisseurin Anna Dirckinck-Holmfeld trifft dies zu. Dass sie in Bern inszenierte, war dem Sieg zu verdanken, den sie zusammen mit der Ausstatterin Sibylle Wallum beim fünften Europäischen Opernregie-Preis errungen hatte. Der Preis wird von der Camerata Nuova, einem privaten deutschen Verein von Opern-Enthusiasten, und dem europäischen Opernhaus-Netzwerk Opera Europa alle zwei Jahre ausgeschrieben, mit dem Ziel, den Nachwuchs in Regie und Ausstattung zu fördern.

In ein Hotel von heute transformiert

Ziel erreicht, jedenfalls am Donnerstag im Berner Stadttheater: Frisch, witzig, spielerisch bis verspielt, mit ein paar Gags und ein paar Abstraktionen transformierte die junge Dänin Mozarts Verwechslungskomödie in ein Hotel von heute, nicht ohne den gross angelegten, und oft erstaunlich tiefgründigen Arien Mozarts genügend Atem und Raum zu lassen. Auch in Regiehandwerk und Personenführung bewies sie immer wieder Können und Niveau, unterstützt von einem darstellerisch engagierten Berner Ensemble. Beeindruckend etwa, wie virtuos sie in einer Ensemble-Szene die schnelle Folge von Dialog und Beiseite-Sprechen aneinander vorbeischlängelte.

Mozart war bei der Münchner Uraufführung 1775 gerade 19 Jahre alt und konnte sich über einen grossen Erfolg freuen: «Nach jeder Arie war allzeit ein erschröckliches Getös mit glatschen und Viva-Maestro-Schreyen», schrieb er nach Hause. Mozart beweist schon hier die Unerschöpflichkeit seiner Einfälle, noch nicht mit der ganzen Genialität, wie sie schon fünf Jahre später entwickelt ist, aber doch von so hoher Qualität und so viel spielerischem Einfallsreichtum, dass man die Bewunderung der Zeitgenossen wie Christian Friedrich Daniel Schubart gut nachvollziehen kann: «Wenn Mozart nicht eine im Gewächshaus getriebene Pflanze ist, so muss er einer der grössten Komponisten werden, die jemals gelebt haben.»

Immer wieder ein wenig unterkühlt

Nun, wir wissen es, Mozart war tatsächlich keine Hors-sol-Tomate. Aber um seine frühen Werke wirklich zum Klingen zu bringen, braucht es ein wenig mehr Leidenschaft und Willen, als man bei der Premiere am Donnerstag vom Berner Sinfonieorchester zu hören bekam. Trotz der durchaus passablen Tempi, die Dorian Keilhack anschlug, trotz stilistisch passenden Artikulationen und einem an sich schlanken Klangbild, wirkte der Orchesterklang oft behäbig und dick, vor allem deshalb, weil immer irgendjemand leicht daneben spielte, in Rhythmus und Intonation nicht die nötige Präzision herrschte. Keilhack selbst war mehr Sachwalter der Partitur und Einsätze als anfeuernder Maestro, was sich ein wenig auch auf die Sänger auswirkte. Das Berner Ensemble zeigte sich zwar Mozart- gewandt und gesangstechnisch auf der Höhe der Aufgaben, aber immer wieder auch ein wenig unterkühlt. Es fehlte oft der letzte Zacken an vokaler Brillanz, Selbstsicherheit und sängerischem Mut. Im Gegensatz zur Inszenierung war die musikalische Umsetzung einfach etwas brav, auf Schönheit und Sicherheit bedacht, statt dass sie der übermütigen, vor Einfällen übersprudelnden Opernkomödie eines 19-Jährigen die adäquate Lebhaftigkeit an die Seite stellte.

Aber das Berner Theater, bei dem die Spardiskussionen mittlerweile zu unschönen und paralysierenden Zuständen und zuletzt sogar zur Absetzbewegung des Chefdirigenten Srboljub Dinic geführt haben, kann mit dieser insgesamt fröhlichen Produktion wohl wenigstens beim Publikum ein paar Punkte zurückgewinnen.