Liebeswirrwarr im Hotelmief

Maria Künzli, Berner Zeitung (06.04.2010)

La finta giardiniera, 01.04.2010, Bern

Anna Dirckinck-Holmfelds Inszenierung von Mozarts Frühwerk «La Finta Giardiniera» feierte im Stadttheater Bern Premiere. Während das Ensemble insgesamt überzeugt, bleibt die Inszenierung brave Unterhaltung.

Gut gebrüllt, Nichte! Arminda tobt. Da ist er nun, ihr Graf, mit dem sie sich verheiraten soll. Doch Belfiore scheint sich mehr für Sandrina zu interessieren, das Zimmermädchen ihres Onkels Don Anchise. Arminda möchte Belfiore das Herz herausreissen, wenn sie ihn nur nicht so lieben würde. Siegt Rache? Siegt Leidenschaft?

Liebe, Eifersucht, Verlassenwerden und Zurückfinden: «La Finta Giardiniera» (Die verstellte Gärtnerin) treibt das Liebesverwirrspiel dreier Paare auf die Spitze. Die Oper des damals erst 19-jährigen Mozart ist eine Opera Buffa mit komischen und ernsten Elementen und Figuren. Die Musik ist dabei weit tiefgründiger als die oberflächliche Geschichte. Unter der Regie von Anna Dirckinck-Holmfeld feierte das Werk in Bern Premiere.

Wie Arminda ist auch Sandrina hin- und hergerissen. Sie ist vor ihrem Geliebten Belfiore geflüchtet, weil er sie fast tot geprügelt hat. Unter falschem Namen ist die Marchesa Violante Onesti, wie sie eigentlich heisst, bei Don Anchise untergekommen. Soll sie sich nun, da sie Belfiore per Zufall wiedersieht, zu erkennen geben? Siegt Hass? Siegt Liebe?

Getrübt

Dieses Liebeswirrwarr wird von der dänischen Regisseurin in die Fünfzigerjahre versetzt: Don Anchise (Matthias Grätzel), ein Vorstadt-Cowboy der seicht-schlüpfrigen Sorte, ist Besitzer eines heruntergekommenen Hotels. Ein massiver Holztresen, drei Deckenventilatoren, vergilbte Tapeten, ein Getränkeautomat und zwei Zimmerpflanzen in trüben Glaskästen verbreiten abgestandenen Mief. Hier soll die Vermählung von Don Anchises Nichte Arminda (Fabienne Jost) mit Belfiore (Andries Cloete) stattfinden. Anna Dirckinck-Holmfeld und Sibylle Wallum (Bühne, Kostüme) verzichten auf unnötigen Ballast, Pomp und knallige Effekte.

Die Inszenierung ist stringent und wirkt nie überladen. Sie verblüfft allerdings auch nur selten mit grandiosen Einfällen. Vieles kommt recht brav und belanglos daher. So entstehen im ersten und dritten Akt Längen, die von den Sängern und dem Berner Symphonieorchester (Leitung Dorian Keilhack) nicht immer ausgefüllt werden können.

Gekämpft

Insgesamt überzeugt aber das musikalische Ensemble. Eindrücklich, wie Hélène Le Corre mit ihrem zarten und doch kraftvoll strahlenden Sopran das Hin-und-hergerissen-Sein von Sandrina herausarbeitet. Fabienne Jost als resolute Arminda und Gerardo Garciacano als kämpferischer Nardo besitzen eine einnehmende Bühnenpräsenz. Die Mezzosopranistin Claude Eichenberger gibt den Ramiro, die einzig reine Seria-Partie, stimmlich und schauspielerisch äusserst facettenreich.

Das Berner Symphonieorchester schliesslich gestaltet die vielschichtige Musik Mozarts präzise und in ordentlichem Tempo. Manchmal wirkt die Interpretation jedoch etwas kontur- und mutlos.

Geträumt

Mehr Mut wünscht man sich auch vom Regieteam, das mit «La Finta Giardiniera» den fünften Europäischen Opernregiepreis gewann. Zum Beispiel bei den Szenen, in denen Belfiore und Sandrina sich in einer Art Traumzustand befinden. Das Licht zu dämmen und die beiden als Zeichen der Verwirrung wie Kinder rumblödeln zu lassen, ist nicht besonders originell. Dabei beweist die Regisseurin durchaus ein Händchen für wirkungsvolle Momente: etwa mit der Idee, Doubles einzuführen oder Sandrina mit einheitlich maskiertem Personal zu umgarnen, als sie das schwere Los der netten Mädchen besingt.

Siegt also Stringenz? Siegt Langeweile? In «La Finta Giardiniera» triumphiert natürlich die Liebe, auch wenn die Musik dunkle Wolken malt. Die Inszenierung von Anna Dirckinck-Holmfeld bleibt ungetrübte Unterhaltung.