Die Gärtnerin als Zimmermädchen

Bruno Rauch, Der Landbote (06.04.2010)

La finta giardiniera, 01.04.2010, Bern

Das Regieteam ist mit Vorschusslorbeeren angetreten: Im Stadttheater Bern präsentiert es eine hübsche Version von Mozarts «La finta giardiniera».

Mozarts Karnevalsoper «La finta giardiniera» (Die verstellte Gärtnerin) wurde, knapp vor seinem 19. Geburtstag, im Januar 1775 in München uraufgeführt. Nach kurzlebigem Achtungserfolg verschwand das Werk für lange Zeit von den Spielplänen. Der Grund ist naheliegend: Die Handlung ist reichlich abstrus, die Charaktere eindimensionale Commedia-dell’Arte-Typen. Darüber kann auch Mozarts Musik, die immer wieder Geniales aufblitzen lässt, nicht hinwegtäuschen.

Entsprechend gefordert ist die Regie, die Verwirrspiel, durchschaubare Verstellungskünste und unglaubhafte Triebsteuerung plausibel über die Rampe bringen soll. Das U35-Team, Anna Dirckinck-Holmfeld (Regie) und Sibylle Wallum (Ausstattung), war für sein Konzept 2009 in Wiesbaden mit dem 5. Europäischen Opernregie-Preis ausgezeichnet worden. Auch angesichts der nicht eben leichten Aufgabe fällt das Urteil des vorliegenden Resultats doch etwas weniger enthusiastisch aus, als es die Vorschusslorbeeren erwarten liessen.

Nettes Liebeskarussell

Die beiden machen aus der verstellten Gärtnerin ein staubsaugendes Zimmermädchen im desolaten Albergo Lagonero: stiere Wände, Getränkeautomat, Deckenventilatoren, vergammelte Gummibäume in Glasvitrinen, zwei Fenster, wo gelegentlich Kühe vorbeizuckeln, von denen der schiesswütige Patron ab und zu eine umlegt. Neben seinen Wildwestanfällen scharwenzelt der ältliche Galan lüstern dem «falschen» Zimmermädchen Sandrina hinterher. Das führt alsbald zu unausweichlichen Turbulenzen, zumal auch weitere Hotelgäste – darunter Sandrinas Ex – und Angestellte aufs Liebeskarussell aufspringen.

Abgesehen vom durchaus möglichen, aber nicht zwingenden «Berufswechsel» der Gärtnerin, schafft es die Regie nicht wirklich, den Figuren schärferes Profil zu verleihen. Ansatzweise wird in einzelnen Szenen eine psychologische Unterfütterung mit einem albtraumartigen Maskenspiel angestrebt. Doch im Grunde bleiben die Figuren die ursprünglichen Komödien-Puppen, auch wenn sie jetzt Sneakers, Trainingsanzug, Adidas-Schlappen, Deuxpièces oder Chinos tragen. Als Ausformung von zeitlosen Gefühlen kommen sie uns deshalb kaum näher.

Ausgezeichneter Gesang

Immerhin bewegen sie sich mit lässiger Natürlichkeit und gekonntem Körpereinsatz. Vor allem aber singen sie (fast) ausnahmslos ausgezeichnet. Unter den Männern gefällt besonders Gerardo Garciacano als Nardo mit sonorem, agilem Bass. Andries Cloete leiht dem heissblütigen Belfiore in Gestalt eines Rockstars seinen virilen Tenor und ebensolche Körperlichkeit (inklusive Tattoo und Brustwarzenpiercing). Matthias Grätzel ist ein in jeder Hinsicht etwas verrutschter alter Lüstling. Dem stimmlich famosen jungen Damentrio Hélène Le Corre (Sandrina), Anne-Florence Marbot (Serpetta) und Claude Eichenberger (köstlich tuntiger Ramiro) setzt Fabienne Jost als Armida ihren reiferen Charaktersopran entgegen.

Unter Dorian Keilhack musiziert das Berner Symphonieorchester mit ansprechendem Schwung und differenzierter Klanggebung, was über die paar verwackelten Stellen hinweghören lässt.