Verwicklungen um Liebe, Gift und Intrige

Stefan Degen, Neue Luzerner Zeitung (20.04.2010)

Luisa Miller, 18.04.2010, Zürich

Verdis Oper «Luisa Miller» wird in Zürich spannend auf die Bühne gebracht. Der Abend ist auch ein grosses Sängerfest.

Gleich vier Opern hat Giuseppe Verdi geschrieben, deren Stoff auf ein Theaterstück von Friedrich Schiller zurückgeht. Vorlage für die 1849 in Neapel uraufgeführte «Luisa Miller» war das bürgerliche Trauerspiel «Kabale und Liebe» (1784). Fasziniert an dem Sujet haben den Komponisten vor allem die psychologisch geschärfte Handlung und die effektvolle Theatralik. Im Mittelpunkt stehen bei Verdi die Gefühle der Figuren – vor allem die gescheiterte Liebe zwischen Luisa und Rodolfo.

Vater-Kind-Beziehung

Für die szenische Umsetzung ist dasselbe Produktionsteam verantwortlich, das im vergangenen Herbst in Zürich mit grossem Erfolg Verdis «Il corsaro» auf die Bühne gebracht hat. Regisseur Damiano Michieletto zeichnet die Figuren klar und ohne gestellte Posen. Die beiden Vater-Kind-Beziehungen werden scharf herausgearbeitet und szenisch durch zwei Kinderstatisten betont. Das Bühnenbild von Paolo Fantin spielt raffiniert mit Spiegelungen. Auf einer Drehbühne, die fast ständig in Bewegung ist, sind auf engstem Raum die Schauplätze angedeutet. Das erlaubt rasche Verwandlungen der Szene.

Die Kostüme von Carla Teti sind an die Mode aus Schillers Zeit angelehnt. Die Bühnenräume schaffen viel Atmosphäre und überraschen durch immer wieder neue Kombinationen. Michieletto arrangiert darin die Geschichte mit Einfühlung und verleiht dem Drama den nötigen Tiefgang. Die psychologische Zeichnung der Figuren gelingt ihm eindringlich, und er hält den Spannungsbogen aufrecht – bis zum Ende des Liebespaares durch Gift.

Warmer Verdi-Sopran

Rundum beglückend ist die musikalische Seite. Das Orchester der Oper Zürich spielt unter Massimo Zanetti mit viel Brio und satten Klangfarben. Dabei ist es den Akteuren stets eine verlässliche Stütze. Im Mittelpunkt des Sängerensembles steht Barbara Frittoli in der Titelrolle. Die Italienerin verfügt über einen warmen, echten Verdi-Sopran. Sie meistert die heiklen Koloraturen ebenso überzeugend wie die dramatischen Ausbrüche. Filigran gesponnene Piani und makelloses Legato prägen ihren Gesang. Als ihr Vater Miller brilliert Bariton-Veteran Leo Nucci mit starker Bühnenpräsenz und nobler Stimmführung.

Der italienische Tenor Fabio Armiliato gibt sein Rollendebüt als Rodolfo. Am Ende des ersten Aktes versagte ihm kurz die Stimme. Danach fing er sich (trotz angekündigter Indisposition) wieder auf und gefiel mit gut fokussierter Tongebung und aristokratischer Erscheinung. Die Arie «Quando le sere al placido» sang er elegant phrasiert. Rollendeckend sind Ruben Drole als intriganter Wurm, Liliana Nikiteanu als Federica und Laszlo Polgar als Conte di Walter.