Opernrarität zum Schmunzeln

Oliver Meier, Berner Zeitung (10.05.2010)

La Jolie Fille de Perth, 08.05.2010, Bern

Verschmitztes Plädoyer für eine Verschmähte: Das Stadttheater präsentiert die Oper «La Jolie Fille de Perth» von Georges Bizet in Konzertform. Eingängige Musik trifft hier auf eines der schlechtesten Libretti der Operngeschichte.

Kunst statt Politik: Mit einem charmanten Plädoyer wandten sich Claude Eichenberger und Robin Adams am Samstag an die Zuschauer und warben für das Programmheft der kommenden Saison, das angesichts der jüngsten Querelen am Stadttheater Bern «etwas untergegangen» sei. Es war der Schlusspunkt eines Abends, dem die beiden Publikumslieblinge aus dem Opernensemble mit einer gesanglichen und darstellerischen Glanzleistung den Stempel aufdrückten.

Nach Vincent d’Indys Keltenoper «Fervaal» (2009) präsentiert das Stadttheater erneut eine französische Opernrarität in Konzertform: «La Jolie Fille de Perth» ist ein Frühwerk von Georges Bizet, das nach der Uraufführung 1867 in Paris bald schon auf der Schutthalde der Geschichte landete. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Das Libretto, das dem aufstrebenden Komponisten in die Hand gedrückt wurde, ist derart verworren und widersinnig, dass selbst die Verfasser wohl den Durchblick verloren.

Die Handlung, angelehnt an einen Roman von Walter Scott, dreht sich um die schöne Tochter eines Handschuhmachers (Carlos Esquivel) in den mittelalterlichen Highlands. Cathérine Glover (Elena Gorshunova) wird von einem aufrechten Waffenschmied geliebt (Marc Laho), aber um ein Haar von einem adligen Schürzenjäger (Robin Adams) verführt – und schliesslich in den Wahnsinn getrieben. Dass die Geschichte nicht gar so tragisch endet, ist der List und dem guten Herzen einer Zigeunerin (Claude Eichenberger) zu verdanken, die – als einstige, inzwischen verschmähte Geliebte des Herzogs – kurzerhand in die Kleider der naiven Bürgerstochter (und damit in die Arme des Schürzenjägers) schlüpft. Alles klar? Das ist noch nicht alles: Um den Unterhaltungseffekt zu erhöhen, wartet der turbulente Reigen von (unaufgelösten) Verwechslungen und Missverständnissen unter anderem mit weinseligen Karnevalsszenen, einem Zigeunertanz und einer modischen Wahnsinns-Arie auf.

Man könnte auf diese Oper getrost verzichten – wäre da nicht die mitreissende Musik von Bizet: Mit süffigen Melodien, dramatischen Chorszenen, weich gezeichneten Balladen und Duetten entfaltet der Komponist einen durchaus subtilen Klangzauber, der auch vor kühnen Dissonanzen nicht Halt macht. Trotz der französischen Sprache atmet das Werk einen italienischen Geist, deutlich beeinflusst von Grossmeister Verdi. Das Berner Symphonieorchester unter der Leitung von Vincent de Kort wird der Komposition allerdings nur bedingt gerecht. Vor allem in den ersten zwei Akten fehlt es nicht nur an Präzision, sondern auch an Prägnanz und Spiellust. Und auch der Chor des Stadttheaters ist nicht über alle Zweifel erhaben: Wiederholt sind bei den hohen Männerstimmen Intonationsprobleme zu vernehmen. Dass die Aufführung dennoch zu packen vermag, liegt nicht zuletzt an den Solisten: Mit bestechender Präsenz und einer guten Prise Ironie erwecken Claude Eichenberger und Robin Adams ihre Pappfiguren zum Leben. Und auch die Russin Elena Gorshunova zeigt, zumindest stimmlich, eine grosse Leistung, gekrönt durch ihre aberwitzige Koloraturen-Arie, in der sie den Wahnsinn ausmalt – Mozarts «Königin der Nacht» lässt grüssen.