Liebe unter einem Wasservorhang

Alfred Ziltener, Der Landbote (27.05.2010)

La Calisto, 21.05.2010, Basel

Das Theater Basel hat Francesco Cavallis Oper «La Calisto» herausgebracht. Die Aufführung ist musikalisch und szenisch ein Wurf.

Wer liebt, hat nichts zu lachen – zumindest in Francesco Cavallis Oper «La Calisto». Das Theater Basel hat das barocke Verwirrspiel um Liebe und Keuschheit auf originelle Weise auf die Bühne gebracht. Regie führt Jan Bosse; Andrea Marcon dirigiert das Barockorchester La Cetra.

La Calisto – 1651 in Venedig uraufgeführt – ist eine bunte Szenenfolge, in welcher Tragödie und Posse unmittelbar kontrastieren. Cavalli hat dazu eine facettenreiche Musik komponiert, mit eindringlichen Klagegesängen, betörend schönen Liebesduetten und übermütigen Tänzen.

Schauplatz ist das mythische Griechenland: Göttervater Jupiter steigt zur Erde hinab, um eine lange Dürre zu beenden, und verliebt sich in Calisto, eine Dienerin der Keuschheitsgöttin Diana. Da Calisto auf ihrer Jungfräulichkeit besteht, verkleidet sich Jupiter als Diana und verführt sie so zur Liebesnacht. Doch Jupiters Frau Juno durchschaut den Trick, bestraft aber nicht den Gatten, sondern verwandelt die unschuldige Calisto in einen Bären. Jupiter kann die Unglückliche nicht retten, erhebt sie aber zum Sternbild: dem Grossen Bären. Auch Diana hat Probleme mit ihrem Keuschheitsgelübde. Sie liebt heimlich Endymion, der sie anbetet. Sie rettet ihn aus den Klauen des eifersüchtigen Waldgottes Pan und geht schliesslich mit ihm eine platonische Beziehung ein.

Geschlechtertrennung

Marcon und Bosse haben der Basler Oper vor zwei Jahren mit Claudio Monteverdis Orfeo einen Publikumsrenner beschert und mit La Calisto landen sie wieder einen Coup. Das Publikum verfolgt das Geschehen nach Geschlechtern getrennt, die Frauen im Saal, die Männer auf der Bühne. Die Figuren der Oper treten aus der jeweiligen Gruppe heraus. Gespielt wird zwischen den Zuschauern und vor allem auf einem vom Bühnenbildner Stéphane Laimé schwarz ausgelegten, breiten Steg zwischen Männern und Frauen.

Wichtigstes Bühnenelement ist das Wasser, das Jupiter auf die Erde gebracht hat. Es tröpfelt manchmal kaum wahrnehmbar aus dem Schnürboden auf den Steg, es ergiesst sich als aphrodisierende Quelle, es teilt den Raum als dichter Regenvorhang, auf den sich sogar Videos projizieren lassen.

Farben- und Klangfülle

Mehr braucht Bosse nicht. Er erzählt die Geschichte ohne weitere szenische Hilfsmittel, dafür mit vielen klugen Einfällen. Die ausgefeilte, betont körpersprachliche Personenführung rückt die mythologischen Figuren nahe an uns heran, macht sie zu Menschen von heute. Auch die Musiker sitzen sich nach Geschlecht getrennt gegenüber, als zwei Ensembles, deren gross besetzte Continuo-Gruppen der Partitur Farbenreichtum und Klangfülle geben. Marcon lässt schwungvoll und lebendig musizieren, mit viel Raum für die Improvisation.

Vor und im Publikum agiert ein ausgezeichnet singendes Ensemble, das den Figuren mit darstellerischen und stimmlichen Mitteln überzeugendes Profil gibt – allen voran Luca Titotto, der als Jupiter mit profundem Bass, als falsche Diana mit vollem, sicher geführtem Falsett brilliert. Das Premierenpublikum war hingerissen.