Rusalka im Blumenmeer

Bruno Rauch, Neue Luzerner Zeitung (02.06.2010)

Rusalka, 30.05.2010, Zürich

Dvoráks Zauberoper «Rusalka» hat am Sonntag am Zürcher Opernhaus Premiere gefeiert – klug und klar inszeniert von Matthias Hartmann, dem vormaligen Direktor des Schauspielhauses.

Vor dem Vorhang schläft neben einem Hydranten eine schäbig gekleidete Frau: obdachlos, unbehaust, die spärliche Habe verteilt in ein paar Tragtaschen. Ein Bild, wie wir es aus anonymen Grossstädten kennen und wie es die nächtliche Kulisse einer Metropole im Hintergrund bestätigt. Die Gestalt ist, wie es sich im Rückblick erweist, die heimatlos gewordene Nixe Rusalka. Krassimira Stoyanova gestaltet die betrogene Nymphe berührend mit klar fokussiertem, leuchtkräftigem Sopran und beredter Darstellung. Selbst da, wo sie nicht singen darf. Für die trügerische Liebe zu einem Irdischen, einem Prinzen, hat sie nämlich Herkunft, Unsterblichkeit und Stimme geopfert. Auch ihr ureigenstes Element, das Wasser, darf nicht mehr frei strömen, sondern ist nurmehr eingesperrt in Schächten und Hydranten.

Endzeitvision

Regisseur Hartmann macht aus Antonin Dvoráks Märchenoper eine endzeitliche Fabel: Die Naturkräfte sind gezähmt, missbraucht, geschändet. Rusalkas Kuss und der Tod des Prinzen werden so zum mehrdeutigen Symbol: Erlösung? Untergang?

Bühnenbildner Karl-Ernst Hermann hat für diese Sicht präzise, suggestive Bilder gefunden, mal kontrastiert, mal betont von einer dominierenden Hochspannungsleitung, welche die Bühne brutal quert. Statt der üblichen Szenerie mit Wald und See rollt ein zauberhaftes blaues Blumenfeld, bevölkert von drei Elfen mit Libellenflügeln, nach vorn und entschwindet wieder, um der technokratischen Menschenwelt zu weichen.

Stimmenglanz

Alfred Muffs mächtiger Bass verleiht ihm Würde und Ohnmacht zugleich. Sein vormals blau schillernder Anzug ist jetzt mit Ölschlick besudelt – ein erschreckender Bezug zur Aktualität! Den treulosen Prinzen gibt Piotr Beczala. Mit lyrischer Wärme und heldischem Glanz zeichnet er den Wankelmütigen, der den Reizen der stimmlich grandios auftrumpfenden fremden Fürstin von Michelle Breedt erliegt. Stimmlich souverän verbreitet Liliana Nikiteanu als bucklige, rot gewandete Hexe Jezibaba unheimliche Lustschauer (Kostüme: Victoria Behr). Eva Liebau, vom Küchenjungen zur smarten Eventmanagerin avanciert, und Miroslav Christoff als Heger machen ihre Auftritte zu köstlichen Kabinettstücken.

Vladimir Fedoseyev am Pult lässt die slawische Melodienseligkeit prächtig aufblühen und leuchten. Er beweist ein waches Sensorium für die Farbigkeit und den sogartigen Schwung der dvorákschen Partitur. Das glänzend disponierte Orchester folgt ihm hellwach.