Elfenwelt und Menschenmacht

Verena Naegele, St. Galler Tagblatt (03.06.2010)

Rusalka, 30.05.2010, Zürich

Dvořáks «Rusalka» ist am Opernhaus Zürich ein bühnenbildnerischer Augenschmaus von einer suggestiven Kraft, die sich auch auf die Musik überträgt.

Eine Märchenwelt mit böser Hexe, Waldelfen und einer zum Mensch werdenden Wassernixe präsentiert Antonin Dvořák in seiner Oper «Rusalka». Es ist ein Stoff, der zwischen Volksglaube, zart-romantischer Poesie und symbolistischer Eigentümlichkeit oszilliert und damit der Musik Dvořáks breiten Raum zur Entfaltung lässt. Wagners Welt der Rheintöchter ist ebenso präsent wie eine an Tschaikowsky erinnernde musikalische Dramatik und das folkloristische Idiom.

Dirigent Vladimir Fedoseyev kostet diese Tonsprache klangüppig aus. Szenische Dramatik aber ist nicht die Stärke des Librettos, das mehr auf innere Vorgänge denn Äusserlichkeiten fokussiert.

Bühnenbildmagie

Und gerade hier setzt die Zürcher Produktion an, die ganz die Handschrift des Bühnenbildmagiers Karl-Ernst Hermann trägt, der offene, atmosphärische Räume mit Enge und Verfall raffiniert kombiniert. Die Welt Rusalkas und des Wassermanns ist ein schillerndes blaues Blumenmeer, in dem die Elfen zu böhmischer Volksmusik lustvoll herumtollen.

Die dekadent zerstörerische Menschenmacht aber ist stets präsent, zuerst mit einer gewaltigen Hochspannungsleitung, im Mittelakt durch einen Kronleuchter und einen mittels Fluoreszenzröhren angedeuteten engen Raum. Das heile Märchen wird systematisch gebrochen, bis Rusalka im Seeboden als «Irrlicht» der Zivilisation versinkt.

In diesem Szenario lässt Regisseur Matthias Hartmann seine Figuren zum Teil allzu stereotyp agieren – etwa die glutrote Hexe Jezibaba mit ihren nervig zuckenden Bewegungen, den ewig wiederkehrenden Wassermann oder die sexualisierte Welt des Prinzen.

Berührendes Paar

Im Mittelpunkt aber steht das ungleiche Liebespaar Rusalka und Prinz: Wunderbar, wie sie sich in stummem Dialog begegnen, angezogen und doch fremd – bis zum tödlichen Kuss der Seemaid. Krassimira Stoyanova spielt vom schlichten «Mond-Hit» bis zum verzweifelten Ausbruch der Gefühle eine unglaublich breite sängerische Palette aus. Piotr Beczala steht ihr mit lyrischem Tenor voll Impetus in nichts nach.