Oliver Schneider, Wiener Zeitung (02.06.2010)
Vor einem Jahr hat Matthias Hartmann Zürich den Rücken gekehrt, nun ist er für eine Neuinszenierung von Dvoøáks "Rusalka" zurückgekehrt. Genau wie 2008 Jossi Wieler und Sergio Morabito in Salzburg, bricht er den romantischen Kern der Oper auf, um die Sehnsucht einer Wassernymphe, Rusalka, nach dem Menschsein auf eine symbolische Ebene zu transponieren.
Die Heimat von Rusalka ist ein auf einer Metallscheibe verschiebbares Blumenmeer vor der nächtlichen Skyline von New York. Hartmann interessiert sich für den Gegensatz zwischen Mensch und Natur. Ein interessanter Ansatz, würde er nicht auf halbem Weg stecken bleiben. Dvoøáks vorletztes Musiktheaterwerk wird einfach zum modernen Märchen: Die Waldelfen sind munter summende Bienen, aber vom Wasser können sich der Burgherr und Bühnenbildner Karl-Ernst Herrmann nicht wirklich lösen. Rusalka muss sich auch bei ihnen von einer buckligen Fantasy-Hexe (Liliana Nikiteanu) von ihrem Fischschwanz loszaubern lassen; ein Hydrant und das Auftauchen des Wassermanns (imposant röhrend: Alfred Muff) aus dem Bühnenboden deuten an, dass sein Reich die Kanalisation ist.
Aus der Stadt stammt der Prinz, der Rusalka mit seiner roten Jacke einfängt und sie auf sein Schloss, symbolisiert von einem Kronleuchter, mitnimmt. Dafür, dass Rusalka Teil dieser Welt werden kann, zahlt sie als Preis den Verlust der Sprache und muss mit dem Damoklesschwert leben, zum Irrlicht zu werden, wenn ihre Liebe nicht erhöht wird.
Konventionell und bildlastig
Der Prinz ist Teil einer Partygesellschaft im extravaganten Outfit (Kostüme: Victoria Behr), deren Dionysos (Ádamo Dias) die Menschen mit einem Mix aus klassischem und modernem Tanz zu seinen Jüngern macht (Choreographie: Ismael Ivo). Rusalka bleibt ein Fremdkörper, was durch den Auftritt ihrer Nebenbuhlerin, der fremden Fürstin (zu matronenhaft Michelle Breedt), noch akzentuiert wird. Nicht so richtig wollen die Szenen der Bediensteten passen, denen Hartmann mit übertriebener Komik begegnet.
Insgesamt bleibt Hartmanns Deutung konventionell und zu bildlastig. Entschädigung bietet der eindrückliche dritte Akt, in dem die Blumenwiese zur Müllhalde wird. Hier zeigt Hartmann, dass Dvoøák den Gegensatz zwischen Mensch und Natur personalisiert hat. Wenn Rusalka ihren Prinzen mit dem Todeskuss erlöst, dürfen sich Krassimira Stoyanova und Piotr Beczala als großartige Sängerschauspieler beweisen.
Luxusbesetzung sind die beiden auch stimmlich. Stoyanova verleiht der Wassernixe voluminösen Sopran-Glanz und lyrische Makellosigkeit im Lied an den Mond. Beczala setzt mit seiner schmelzreichen und elegant auftrumpfenden Stimme Maßstäbe.
Das Orchester machte dem Opernhaus Zürich am Premierenabend alle Ehre, musizierte kontrolliert im wachen Dialog mit dem Bühnengeschehen. Wirkte der erste Akt noch etwas spannungslos, so fand Vladimir Fedoseyev spätestens ab der Ballettmusik zur richtigen Balance zwischen subtiler Lyrik und spätromantischer Üppigkeit.