Giuseppe Verdis «Aida» als blutrote Dia-Show der Gewalt

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (16.09.2010)

Aida, 14.09.2010, Basel

Am Theater Basel inszenierte der spanische Skandalregisseur Calixto Bieito Verdis «Aida». Die Premiere am Dienstag zeigte das erwartete Blutbad, überzeugte aber auch durch sängerische Glanzleistungen.

Wer Calixto Bieito mit der Inszenierung einer «Aida» beauftragt, weiss, dass im Triumpfmarsch nicht Kamele ihre Runden drehen oder artige Balletteusen der ägyptischen Obrigkeit huldigen. Gleich schon zu Beginn dieser Szene lässt der spanische Regisseur halbnackte, blutverschmierte Gefangene zur Belustigung der Volksmassen auftreten. Natürlich dürfen sie ausgiebig gequält werden, es herrscht schliesslich Kampf der Kulturen, Gegner ist die muslimische Welt. Die Grenzwache entreisst Aida Gewand und Kopftuch und zwängt sie ins rote Abendkleid. Wir sind in einem Stadion, Migros und Julius Bär grüssen als Werbebanner, Giuseppe Verdis Chöre mutieren zu den Fan-Gesängen von Hooligans, die Masse feiert archaische Rituale wie Tieropfer und Blutorgien.

Grandiose Bilder

Es sind grandiose Bilder, die uns Bieito vorsetzt, eine Dia-Show der Gewalt, voller Assoziationen und Ideen, die sich zwar nicht immer erschliessen, aber dennoch als starke Chiffren hängen bleiben. Bieito ist kein Geschichtenerzähler, es geht ihm nicht so sehr darum, uns die Figuren und ihre Motivationen möglichst schlüssig nahezubringen. Manche seiner Aktionen sind vom Stück her gesehen schlicht falsch, am extremsten, wenn er den Grenzwächter am Ende des dritten Akts Amneris foltern und töten lässt: Immerhin die Tochter des Pharaos, und singen muss sie auch noch, ihr gehören die letzten Worte der Oper. Bieitos Personenführung, wenn er sich denn auf konkrete Aktionen zwischen den Protagonisten einlässt, hat etliche Schwächen. Allerdings gelingen ihm dann, vor allem im dritten Akt, der ohne Massenszenen allein der fragilen Konstellation zwischen den vier Protagonisten gewidmet ist, auch wieder enorm packende Momente. Höhepunkt diesbezüglich war das Duett zwischen Aida und Radames am Nil. Und auch musikalisch blühten Angeles Blancas und Sergej Khomov in diesem Moment zu stimmlicher Höchstform auf. Beide erwiesen sich ohnehin als sängerisch herausragend: die spanische Sopranistin mit vibrierender Intensität in ihrer faszinierenden, vor allem in der Höhe enorm fokussierten Stimme, der ukrainische Tenor mit einem dunklen Timbre, das über viele Farben verfügt und nicht nur mit heldisch strahlenden, sondern auch mit leisen und schattierten Tönen überzeugte. Michelle De Young als Amneris stand den beiden nicht nach, auch die Amerikanerin bewies sich in allen Facetten dieser vielschichtigen Rolle souverän. Etwas eindimensionaler sangen Daniel Golossow den Ramfis und Alfred Walker den Amonasro.

Rhein-Aufführung fürs Fernsehen

Am Dirigentenpult des Basler Sinfonieorchesters stand der erfahrene Italiener Maurizio Barbacini. Auch er setzte starke klangliche Akzente, hatte aber mit der Koordination zwischen Bühne und Graben noch einige Schwierigkeiten, insbesondere schien ihm des Öfteren die Fähigkeit, mit den Sängern mitzuatmen, etwas abhanden gekommen zu sein. Das Schweizer Fernsehen hat mit seinen beiden Opernproduktionen «La Traviata im Hauptbahnhof» in Zürich und «La Bohème im Hochhaus» in Bern zahlreiche Lorbeeren eingeheimst. Diese Basler «Aida» wird nun am 1. Oktober auf ähnliche Weise für das Fernsehen inszeniert und mitten in der Stadt Basel am Rhein gespielt. Die Besetzung ist dieselbe wie bei der Premiere, das Orchester spielt im Ballsaal des Hotels «Trois Rois» unter der Leitung von Gabriel Feltz. Und für eine Primetime-gerechte Inszenierung sorgt der Basler Theaterdirektor Georges Delnon.