AIDA - Theater Basel

Isabell Seider, OPERAPOINT. (16.09.2010)

Aida, 14.09.2010, Basel

Kurzinhalt

Aida, äthiopische Prinzessin und Tochter des Amonasro, befindet sich unerkannt in ägyptischer Gefangenschaft und verliebt sich in den feindlichen Hauptmann Radamès. Diesen wünscht sich jedoch Amneris, die Tochter des Königs von Ägypten, zum Mann. Nachdem Radamès die ägyptischen Truppen zum Sieg über die Äthiopier geführt hat, steht die Hochzeit mit Amneris bevor. Bei einem geheimen Treffen wird Aida von Radamès in den Schlachtplan der Ägypter eingeweiht. Dieses Gespräch wird belauscht woraufhin Radamès wegen Hochverrats zum Tode verurteilt wird: Er soll lebendig begraben werden. Doch Aida läßt sich zusammen mit ihrem Geliebten einmauern – Amneris bleibt alleine zurück.

Aufführung

Eine Arena ist zu sehen, die wegen üppiger Reklamebanner hinter den Tribünen an ein Fußballstadion erinnert. Der Chor nimmt auf den blauen Plastiksitzen Platz, während eine Plastikkuh in die Mitte der Bühne geschoben wird. Die Sänger schmücken sich mit Pharaokronen und schmettern Gloria all’Egitto, ad Iside – Ruhm für Ägypten und Isis. Erst jetzt wird das Licht im Zuschauerraum gedimmt. Ramfis, in der Manier eines Fußballtrikots in den Landesfarben Ägyptens bemalt, liest in den Eingeweiden eines Kadavers und später eines Pferdes, um den Anführer gegen die Äthiopier zu bestimmen. Amneris bereitet sich auf die Heimkehr des siegreichen Radamès vor – der eigentlich hier vorgesehene Tanz der Mohrenknaben weicht einem bunten Aerobic-Bauchtanzkurs.

Zum Marcia trionfale – Triumphmarsch wird eine Gruppe blutbeschmierter, äthiopischer Gefangene in die Arena getrieben und dabei vom Chor mit Essen beworfen, Kinder schieben Nähmaschinen mit verschiedenen Landesflaggen auf die Bühne und beginnen daran zu arbeiten. Amonasro (wie fast alle männlichen Protagonisten im Anzug, nur der König trägt eine Militäruniform) wird als Kriegstrophäe im Käfig auf die Bühne gezogen. Die Masse randaliert im Stadion, das sich nach der Pause dann auch reklamefrei und ohne Sitze präsentiert. Aufgrund seines Hochverrats zum Tode verurteilt, wird Radamès in ein eigens ausgehobenes Erdloch in der Bühne begraben, der Bote ersticht Amneris. Aida – blutig und geschunden – ist bereit, an der Seite ihres Geliebten zu sterben.

Sänger und Orchester

Angeles Blancas singt ihre Rolle als Aida größtenteils sehr klar, besonders im zweiten Teil, in dem ihr lyrischer Sopran zum Tragen kommt und sie nicht mehr gegen die imposanten Massenszenen ankämpfen muß, denn dabei gerieten die Höhen etwas zu grell. Michelle de Young, gibt eine überzeugend eifersüchtige Amneris und zeigt ein großes Gespür für dynamische Nuancen. Ihr – zur Rivalin – kontrastiver, dunkler Mezzosopran besticht durch deutliche Präsenz, ein (inszenatorisches?) Problem für Sergej Khomov (Radamès), der ihr nicht nur körperlich, sondern auch stimmlich nicht gewachsen scheint. Sein Celeste Aida – Himmlische Aida zu Beginn gerät etwas ausdruckslos, wenngleich er seinen strahlenden Tenor technisch solide präsentiert. Andrew Murphy (König) findet sich mit seinem sonoren Baß in seiner Rolle gut zurecht, ebenso wie Daniel Golossov (Ramfis). Alfred Walker (Amonasro) besticht durch einen dramatischen Bariton, dem es weder an Durchschlagskraft noch feinfühliger Nuancierung mangelt. Besonders zu erwähnen ist auch der penibel einstudierte Chor und Extrachor, der sehr präsent und ausgezeichnet positioniert ist.

Am Pult entfesselt Maurizio Barbacini eine unglaubliche Dynamik. Das Sinfonieorchester Basel stellt einmal mehr seine hervorragenden Qualitäten im italienischen Fach unter Beweis. Vor allem der zweite Teil der Oper wird musikalisch vorzüglich in Szene gesetzt.

Fazit

Wie kaum anders zu erwarten (wenngleich auch mit angezogener Handbremse) ignoriert Bieito das Sujet zugunsten seiner ihm eigenen, blutrünstigen und gewaltgeladenen Lesart, die mit der eigentlichen Oper kaum noch etwas gemein hat. Man stellt sich jedoch unweigerlich die Frage, wie die Inszenierung ausgefallen wäre, wenn Spanien nicht die Fußballweltmeisterschaft gewonnen hätte. In summa konnte man einen gefälligen Opernabend erleben, was nicht zuletzt den Sängern und einem überragenden Orchester zu verdanken ist – die Leistung von Sänger und Orchester wurde vom Publikum gebührend belohnt. Wenig Überraschung bot die Beurteilung der Regiearbeit: Buh-Rufe wie Bravo-Rufe und Pfiffe demonstrierten die polarisierende Arbeit des Teams.