Ein Macho, der keiner ist

Roger Cahn, Blick (09.05.2006)

Don Giovanni, 07.05.2006, Zürich

Eines der faszinierendsten Werke der Opernliteratur kommt im Opernhaus Zürich lang und langweilig daher. Premiere von Mozarts «Don Giovanni» war am Sonntag.

Er ist ein gefährlicher Freigeist, Verführer und Geniesser, kennt weder Grenzen noch Skrupel und man liebt ihn trotzdem: Don Giovanni - Frauenheld und Mörder, den alle bewundern. Mozart und sein Librettist da Ponte haben 1787 ein Meisterwerk geschaffen.

In Zürich steht für die Titelfigur mit dem Engländer Simon Keenlysides kein Macho auf der Bühne, sondern ein eher kleingewachsener, agiler Bariton, der bei Frauen auch mütterliche Gefühle erweckt. Er könnte dem Werk eine zusätzliche Dimension eröffnen - doch Regisseur Sven-Eric Bechtolf nutzt dieses Potenzial zu wenig. Er macht aus Don Giovanni den simplen Prototypen einer Spassgesellschaft, der sein Heil mit Messer, Pistole oder Geld sucht.

Auch Franz Welser-Möst schadet mit seinem analytischen Dirigieren dem Werk mehr, als dass er es beflügelt. Arien und Ensembles geht er entweder extrem langsam oder enorm schnell an, was zu vielen Unstimmigkeiten zwischen Bühne und Orchestergraben führt.

Positiv sind Bühnenbild und schauspielerische Fähigkeiten der Sänger. Rolf und Marianne Glittenberg schaffen mit ihrer ins Unendliche verlängerbaren Bühne und wunderschönen Kostümen einen idealen Rahmen. Darin steigern sich die Solisten stellenweise zu darstellerischen Parforceleistungen.

Was jedoch fehlt, ist die innere Spannung. Zu viele aufgesetzte Gags - zu Mozarts Musik darf sogar Charleston getanzt werden - bieten zwar Überraschungen, bringen aber keine neuen Erkenntnisse.

Fazit: Potenzial nicht genutzt. Der Rahmen ist besser als sein Inhalt.