Schillers «Räuber» all’italiana

Torbjörn Bergflödt, Zürichsee-Zeitung (07.12.2010)

I masnadieri, 05.12.2010, Zürich

Die Verdi-Oper «I Masnadieri» im Opernhaus lebt stark von der Bühnenpräsenz und Gesangskunst von Thomas Hampson. Das Libretto von Andrea Maffei ist eine Adaption von Schillers «Die Räuber».

Mit dem wenig schmeichelhaften Ausdruck «Galeerenjahre» hat Giuseppe Verdi 1858 im Rückblick die sechzehn Jahre bezeichnet, in denen er einen Opernauftrag nach dem anderen zu erfüllen hatte. Für diesen früheren Verdi wird unter dem Intendanten Alexander Pereira am Opernhaus oft plädiert. Und mit immer wieder erhellenden Einsichten. Vor allem zeigt sich, dass man diesen Werken nicht gerecht würde, wollte man sie einfach als Vorläuferopern eines reiferen Verdi abtun.

Eine Zürcher Premiere

Das gilt auch für die in Zürich, nach einer konzertanten Darbietung 1982, jetzt erstmals szenisch gezeigte Oper «I Masnadieri». Das «Melodramma tragico» nach Schillers Sturm-und-Drang-Drama «Die Räuber», uraufgeführt 1847 in London, nimmt im Schaffen von Verdi insofern eine Sonderstellung ein, als es sein erstes Auftragswerk für eine Bühne ausserhalb Italiens ist. Hatte schon damals die Londoner Presse das Werk im Allgemeinen reserviert aufgenommen, so gehört die Schiller-Anverwandlung all’italiana bis heute zu den kaum bekannten und nur selten gespielten Opern Verdis.

Dramaturgische Bruchstellen

Der Librettist Andrea Maffei hat die berühmte Vorlage gewissenhaft verknappt, dabei allerdings formal konventionell gestaltet. In mehrteiligen Auftrittsarien werden die Figuren nacheinander eingeführt. Später ergeben sich dramaturgische Bruchstellen. Besonders dass Carlo sich nach der Tötung Amalias selber der Gerechtigkeit überantworten will, wird kaum hinreichend erklärt, wenn er nach den Worten «Nun zum Galgen!» abgeht.

Auch Verdis Partitur erscheint nicht ganz ausgewogen. Die Amalia musste für die Uraufführung der «schwedischen Nachtigall» Jenny Lind auf den Leib geschrieben werden. Das erklärt den Anteil dekorativer, äusserlicher Ornamentik. Es gibt aber auch sehr Gelungenes. Unter anderem, was Personencharakteristik, dramatische Intensivierungen und Instrumentation betrifft. Der Regisseur Guy Joosten verzichtet in Zürich darauf, der Oper die gesellschaftskritischen Zähne, die der Librettist Andrea Maffei und Giuseppe Verdi dem Schiller-Original gezogen haben, wieder einzusetzen oder gar nachzuschärfen. Die Handlungszeit wird beibehalten. Darauf verweisen auch die Kostüme des Ausstatters Johannes Leiacker deutlich. Um trotz der vielen Schauplatzwechsel die Geschichte ohne störende Umbauten erzählen zu können, werden bis zur Pause die aristokratische Welt der Moors und die Räuberwelt per Drehbühne flink weg- und wieder heranbewegt.

Danach spiegelt sich die auch durch den Siebenjährigen Krieg derangierte Welt in einem neu aufgemischten, von Zerfall kündenden Einheitsbühnenbild. Joosten zeigt, dass die Hauptfiguren vor allem an ihren Extremen scheitern, und lässt die «Kanaille» Francesco wie bei Schiller Selbstmord begehen. Eine eigenwertig spannende Interpretationsebene, die auch zu bedeuten vermöchte, was denn diese Oper heute noch aussagen könnte, kann Joosten allerdings nicht einrichten mit seiner Regie.

Und so lebt der Abend wesentlich von den sängerischen und darstellerischen Leistungen. Vor allem ist da Thomas Hampsons zu erwähnen, der den Francesco Moor als einen zynisch-eiteln Bösewicht von einem an Don Giovanni gemahnenden Format gestaltet. Hampson singt mit einem sowohl kraftvoll virilen als auch weich gerundeten Bariton und gepflegter Diktion und durchpulst die Figur mit einem hellwachen charakterisierenden Spiel.

Bühnenfiguren mit Leben füllen

Fabio Sartori in der Rolle des Carlo Moor lässt als Sänger feurige Inbrunst und tenoralen Schmelz hören, bleibt schauspielerisch indes zu blass. Isabel Rey als die von beiden Moor-Söhnen begehrte Cousine Amalia bewältigt bewundernswert den zwischen lyrischem Ausdruck und Ziergesang oszillierenden Gesangspart und tut ihr Möglichstes, um dieser Figur Bühnenleben einzuhauchen. Klangvoll strömt der Bass bei Carlo Colombara als dem Vierten im Bunde der unglückseligen Protagonisten dieser Oper, dem gräflichen Vater Moor. Dynamisch gut gestaffelt klingt der von Jürg Hämmerli einstudierte Chor.

Adam Fischer verordnet dem Hausorchester eine flüssig bewegte Gangart, modelliert schöne Espressivi heraus und vermeidet erfolgreich, dass im gestalterischen Feuer die Forti herausknallen.