«Pique Dame»: Obsessionen mit Unterbrechung

Alfred Ziltener, Der Landbote (13.12.2010)

Pique Dame, 10.12.2010, Basel

Das Theater Basel hat Pjotr I. Tschaikowskys Oper «Pique Dame» herausgebracht. Die Premiere am Freitag ist trotz Hindernissen ein grosser Abend geworden.

Nach dem ersten Bild war Schluss – zumindest vorläufig: Die Premiere von Pjotr I. Tschaikowskys Oper «Pique Dame» am Theater Basel musste unterbrochen werden. Der kurzfristig erkrankte Darsteller der männlichen Hauptrolle, Maxim Aksenov, hatte zwar versucht zu singen, war nun aber am Ende seiner Kräfte, und der aus Stuttgart herbeigerufene Ersatz sass in einem massiv verspäteten ICE fest. Das Publikum wartete gelassen. Und es wurde schliesslich mit einem grossen Abend belohnt. Der Dirigent Gabriel Feltz und das Team um den Regisseur David Hermann zeigten eine zunehmend packende Deutung der düsteren Spieleroper.

Im Zentrum des Stücks steht Hermann, ein junger Deutscher im zaristischen St. Petersburg. Er liebt Lisa, die Enkelin einer geheimnisumwitterten Gräfin, die angeblich eine Reihe von drei Spielkarten kennt, die unfehlbar zum Gewinn führt. Für Hermann vermischen sich Liebe und Gier nach Reichtum. Das Geheimnis der Karten wird zur Obsession. Im Wahn dringt er auf die alte Frau ein und tötet sie versehentlich. Lisa stürzt sich verzweifelt in die Newa. Der Geist der Gräfin verrät Hermann die Karten, doch dieser verliert gegen Jeletzkij, Lisas betrogenen Bräutigam. Er endet im Irrsinn.

Detailreiche Bühnenräume

Das Basler Team lokalisiert das Geschehen andeutungsweise in einer Metropole um 1900. Das Bühnenbild von Christof Hetzer besteht zunächst aus einer schwarz glänzenden Wand an der Rampe, in der sich auf unterschiedlicher Höhe kleine Räume öffnen, Ausschnitte aus dem Labyrinth der Grossstadt. Mit Liebe zum Detail ist etwa das Schlafzimmer der Gräfin gestaltet. Wenn der Wahn von Hermann Besitz ergreift, hebt sich die Wand über einer Albtraumlandschaft: Das Schlafzimmer steht nun auf Stelzen in einem teilweise verkohlten Birkenhain.

Die Personenführung ist gelegentlich anfechtbar – etwa, wenn im Quintett des ersten Akts die Damen aus dem Off singen müssen – doch sie überzeugt letztlich durch Konsequenz und Präzision. Etliches ist ungewohnt, aber einleuchtend. So ist die Gräfin – die sehr eindrückliche Hanna Schwarz – kein Schreckgespenst, sondern eine noch immer attraktive Frau, deren erotischer Faszination auch Hermann verfällt. Lisa bringt sich nicht um, sondern folgt ihm als Liebende bis zum Ende. Svetlana Ignatovich spielte das glaubhaft; ihr Sopran fand nach verhaltenem Beginn Fülle und Leuchtkraft.

Der innerlich zerrissene Hermann wurde nun also von zwei Sängern interpretiert. Vom Bühnenrand gab ihm der rollenerfahrene Tenor Vladimir Kuzmenko packendes vokales Profil. Auf der Bühne zeigte Aksenov eindringlich seinen seelischen Zerfall.Feltz und das Sinfonieorchester Basel gaben der Partitur klangvolles, plastisches Profil. Das Publikum bejubelte alle Mitwirkenden, besonders Kuzmenko, der als Einspringer ohne jede Probe viel gewagt – und gewonnen hatte.