Tannhäuser legt die Harfe ab und nimmt die E-Gitarre

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (02.02.2011)

Tannhäuser, 30.01.2011, Zürich

Eine Woche nach Rossinis Farce «Le Comte Ory» hat sich das Opernhaus Zürich am Sonntag erneut ins Premierengewand gekleidet. Diesmal mit ernsterem Stoff - mit Wagners «Tannhäuser» in einer Inszenierung von Harry Kupfer.

Bereits zum fünften Mal hat sich Altmeister Kupfer nun mit Wagners Sängerkrieg auf der Wartburg beschäftigt. Seinem Stil ist er treu geblieben: Die Geschichte wird aktualisiert und mit technisch anspruchsvollen Mitteln in eine neue Umgebung gesetzt. Diesmal wird im Opernhaus Zürich aus Tannhäuser, dem Aussenseiter der Minnesänger-Gemeinschaft, der historischen Gestalt mit ihren derben Spott- und Liebesliedern, eine Art Jimi Hendrix, der geniale Aussenseiter des Rock und Blues.

Die Harfe mutiert zur E-Gitarre, die Ritter mit dem Landgrafen zu Pop-Opas auf dem Golfplatz, das Sängerfest auf der Wartburg zu einer folkloristischen TV-Show. Dass der Venusberg eine Mischung aus dekadentem Nachtclub und Bordell ist, überrascht dabei weniger als deren Raumkonzeption mit drehenden Wänden, dank der im letzten Aufzug Tannhäusers Vision vom Venusberg szenisch packende Plastizität gewinnt. Den stärksten Raum aber baute Hans Schavernoch für den letzten Aufzug, wo Elisabeth in der Trostlosigkeit eines Bahnhofs auf die Pilger wartet.

Mängel in der Regie-Arbeit

Räume und Situationen zu erfinden, ist das eine. Die Figuren darin auch glaubhaft und der neuen Situation entsprechend zu führen, das andere. Darin hapert es in Kupfers Regie-Arbeit stellenweise stark, vor allem im zweiten Aufzug. Der ausgedehnte Erzählstil von Wagners Opernsprache verlangt szenische Aktionen, die Kupfer nicht immer mit der geforderten Originalität oder mindestens Schlüssigkeit innerhalb des gewählten Konzepts zu erfinden in der Lage ist.

Musikalisch hat die Produktion weit mehr Stringenz: Schon von den ersten Bläserakkorden der Ouvertüre an versteht es Ingo Metzmacher, aus dem bestens aufgelegten und solistisch brillanten Orchester die Wagner-Stimmungen in erfreulicher Vielfalt herauszuzaubern. Die weit gespannte Majestät der Linien blüht, ohne dass sie zerdehnt wird, die aufmüpfige Musik des Helden erhält sogar oft heftig leidenschaftliche, fast quirlige Anstriche. Nicht nur die klangfarbliche, auch die dynamische Bandbreite nutzt Metzmacher souverän aus: Immer leise genug für die Sänger, aber in den grossen Klangmassierungen auch mit dem strahlendsten Fortissimo, in dem allerdings die Chöre bisweilen über die Grenzen homogener Klangkraft hinaus gezwungen werden.

Leidenschaftlicher Tannhäuser

Das kann Peter Seiffert als Tannhäuser kaum passieren. Wenn er laut sein will, folgt ihm seine Stimme noch jedes Mal in erstaunlicher Konstanz. Dennoch gerät er ein paar Male leicht in Gefahr, aber Anflüge von Heiserkeit und ein Vibrato, das manchmal etwas zu sehr aus dem Ruder zu laufen droht, hindern ihn nicht daran, sich mit Volldampf in die Partie zu stürzen und sie mit Leidenschaft bis zum Äussersten auszureizen. So wird die gefürchtete Rom-Erzählung am Ende noch einmal zu einem grossen Höhepunkt des Abends.

Stemme lässt keine Wünsche offen

Nie in Gefahr gerät dagegen Nina Stemme als Elisabeth. Egal, ob in aufrauschenden Klangwogen oder im intimen Gebet, stets bleibt ihr Singen mühelos, klar, kontrolliert und aufgeladen mit Farben und Emotionen. Auch Michael Volle als Wolfram begeistert mit der Vielfalt seiner gestalterischen Mittel. In den Preisliedern des Sängerstreits ist er stimmlich und sprachlich ein starker Widerpart von Tannhäuser, und sein «Lied an den Abendstern» am Ende macht er mit viel Mut zum Risiko zu einer berührenden Klage voller Gebrochenheit und trauerndem Abschied.

Interessant ist die Besetzung der Venus mit Vesselina Kasarova. Allerdings scheint Wagner nicht wirklich ihr Terrain zu sein. Einerseits geht sie in den tiefen Lagen der Partie unter, andererseits gelingt es ihr bei der Premiere nicht schlüssig genug, Sprache und Linie zur Deckung zu bringen.