Der barocke Liebeszauber begeisterte

Michael Nyffenegger, Der Landbote (28.03.2011)

Alcina, 26.03.2011, St. Gallen

Das Publikum im Theater St. Gallen hat die Premiere von Händels Oper «Alcina» mit grossem Applaus aufgenommen. Inszeniert hat der Ballett-Chef Marco Santi.

Gesungen und getanzt wird auf einem Holzbalkengerüst mit zwei Plattformen (Bühne: Katrin Hieronimus). Hier herrscht die Zauberin Alcina (Netta Or) über ihr Inselreich. Sie liebt den jungen Ritter Ruggiero (Antigone Papoulkas, Mezzosopran), der auf einem geflügelten Pferd gelandet ist. Ruggiero lässt sich von Alcina bezirzen. Im Liebestaumel vergisst er sämtliche Ritterpflichten und selbst seine Verlobte Bradamante (Delphine Galou).

Alcina ist bezaubernd, aber hinterhältig: Ihre früheren Liebhaber hat sie kurzerhand in Steine, Pflanzen und Tiere verzaubert. Als Bradamante, als Mann verkleidet, auf der Suche nach Ruggiero erscheint, kommt es zum Eifersuchtsdrama. Alcinas Schwester Morgana (Andrea Lang) verliebt sich in Bradamante und sorgt damit für zusätzliche Liebeswirren, ebenso der Aufseher Oronte (Arthur Espiritu), der gegen die Verliebten intrigiert.

Erotik auf Boden und Gerüst

Händels 1735 uraufgeführte Erfolgsoper taucht die Protagonisten in ein Wechselbad der Emotionen. Für Ruggiero, hin- und hergerissen zwischen Alcina und Bradamante, verschwimmen Traumwelt und Realität. «Du Tor. Du traust einer Frau», singt er verzweifelt. Die Szenerie mit dem doppelten Boden offenbart ihre Tücken.

Umspielt werden die Sängerinnen und Sänger vom Ballett. Regisseur und Tanzchef Marco Santi hat für die 14 Tänzerinnen und Tänzer Liebesszenen von knisternder Erotik, bald auf dem Bühnenboden, bald auf dem Gerüst, choreografiert. Trotzdem kommt die Aufführung erst im zweiten Teil richtig auf Touren.

Jetzt, da Alcina ihren brutalen Niedergang erlebt, hat die Sopranistin Netta Or in der Titelrolle ihre besten Momente. Die Arie «Ah, mein Herz, du wirst verhöhnt» gehört zu den musikalischen Höhepunkten

Als Ruggiero sich gegen Alcina wendet, helfen der Zauberin weder Lamento noch Rachedrohungen. Der Bühnenhintergrund färbt sich blutrot, die Tänzer verwandeln sich in feindliche Krieger. Alcina, von ihren magischen Kräfte verlassen, wird von Ruggiero und seinen Helfern vernichtet.

Das Publikum war begeistert

Bravorufe gab es für Antigone Papoulkas als Ruggiero: Die Mezzosopranistin verkörperte die Männerrolle burschikos, ausdrucksstark und stimmlich ausgewogen. Auch Delphine Galou als Bradamante riss das Publikum mit ihrer samtenen Stimme und dramatischen Mimik mit. Das Sinfonieorchester St. Gallen unter der Leitung von Robert Howarth spielte Händels Musik in teilweise hohen Tempi souverän. «Alcina» ist eine Koproduktion des Theaters St. Gallen und der Opéra de Lausanne.