Ein Maskenball mit der einen oder anderen Maske zu viel

Bruno Rauch, Die Südostschweiz (27.04.2011)

Un Ballo in Maschera, 25.04.2011, Zürich

Regisseur David Pountney überfrachtet Giuseppe Verdis «Un ballo in maschera» am Zürcher Opernhaus mit Ideen und forcierter Ironie. An der Premiere am Montag überzeugten dafür Dirigent Nello Santi und die exzellenten Sänger.

Die jüngste Inszenierung des «Maskenball» am Zürcher Opernhaus beruft sich musikalisch zwar auf Giuseppe Verdis Endversion, setzt aber als Protagonisten, wie ursprünglich geplant, den historischen, 1792 auf einem Maskenball ermordeten Schwedenkönig Gustav III. ein. Ihn hatte man 1859 auf Geheiss der Zensur durch eine unverfängliche Person ersetzen müssen, letztendlich durch den Gouverneur Riccardo.

David Pountneys Regie orientiert sich an der überlieferten Theaterleidenschaft des Monarchen und macht aus dem Geschehen ein Spiel im Spiel. Die Figuren agieren wie vom König gelenkte Marionetten. Bereits zur Ouvertüre senkt sich dessen gigantische Hand von oben herab und hievt den Lieblingspagen Oscar, einen geflügelten Putto, in den Schnürboden. Vor dem 2.   Akt wiederholt sich dasselbe, diesmal mit dem König selbst.

Optische Reizüberflutung

Aufs Theater verweist auch der modellierte Vorhang, der den Bühnenraum einnimmt (Bühne: Raimund Bauer). Und ebenso der überdimensionierte Thron, ein Theatersitz, auf dem der König wie ein spielendes Kind seine Rolle mit einem Kasperlkönig andeutet. Alles ist mehrfach gebrochen, distanziert, ironisiert. Das hat seine Berechtigung – sowohl im Hinblick auf den Hedonisten Gustav III. als auch auf die einmalige Verquickung von Komik und Tragik in Verdis Oper. Dennoch walzt die Regie mitunter aus, was die Partitur nur andeutet. So verkleidet sich der Hofstaat zum Besuch der Wahrsagerin mit operettenhaften Uniformen. Und der eigentliche Maskenball ist eine theatralische Danse macabre von unzähligen Skeletten (Kostüme: Marie-Jeanne Lecca).

Mehrfache Brechung

In ironischer Brechung erscheint auch die Hellseherin Ulrica: eine billige Jahrmarktgauklerin, begleitet von allerlei durchschaubarem Hokuspokus. Spätestens da, wo ihre Weissagung tödlicher Ernst wird, wirkt diese Lesart jedoch verfehlt. Emotionale Distanz zum Geschehen vermitteln auch die Aktschlüsse, wo der König den Hofstaat als Puppen tanzen lässt. Oder am Schluss, wo er alle Akteure entseelt zu Boden sinken lässt. Er selbst bettet die «ermordete» Königspuppe auf den Souffleurkasten und zieht eigenhändig den Vorhang zu: Das Spiel ist aus!

Musikalisches Hoch

Mögen szenischer Aufwand und überbordende Einfälle sich letztlich in den Schwanz beissen, das Musikalische überzeugt. Dirigent Nello Santi betont die tänzerische Brillanz der Partitur. Bei allem Sinne für deren federnde Feinmotorik gelingen doch wunderbare Spannungsbögen.
Piotr Beczala als Gustavo ist ei-   ne Idealbesetzung: Sein eleganter, leuchtkräftiger Tenor besitzt Körper und Intensität ohne Larmoyanz. Den Pagen Oscar gibt Sen Guo mit ebenbürtiger Präsenz, frivolem Schalk und gleissenden Koloraturen. Renato, dem Freund und Mörder Gustavs, leiht der darstellerisch etwas steife Vladimir Stoyanov seinen prächtigen Bariton. Seine Gattin Amelia ist Fiorenza Cedolins, zu Beginn etwas unterkühlt, doch zunehmend ausdrucksstark. Und hat man sich erst mal auf das ungewohnte Rollenprofil eingelassen, so vermag auch Yvonne Naef als Ulrica mit sattem Mezzo zu gefallen. Fazit zum Ganzen: Nicht restlos überzeugend, aber anregend.