Verena Naegele, Neue Luzerner Zeitung (30.06.2011)
Wagners «Parsifal» am Opernhaus Zürich: eine zwiespältige Inszenierung mit Längen und Glanzpunkten.
Zum Schluss sinkt Kundry nicht «entseelt» nieder, sondern packt den Koffer und zieht weiter, während Amfortas seine Hand auf Klingsors Schulter legt und sich verbrüdert. Parsifal wiederum schlüpft in eine stramme Uniform und lässt sich als neuem Heilsbringer in Zylinder und Frack huldigen. Und dies alles nebeneinander, dank einer Drehbühne, die sich wie ein Karussell dreht – als wollte Regisseur Claus Guth andeuten, dass die von Wagner bediente Sehnsucht nach Erlösung nie enden wird.
Das Leiden am Krieg
Stark ist dieses Bild nicht unbedingt, eher Abschluss eines ziemlich eindimensionalen Regieabends. Spielort ist eine alte Bürgervilla, abbröckelnde Wände, ein Lazarett für Männer, die aus dem Krieg heimkehren, mit zerschossenen Leibern und zuckenden Gesten. Schwestern mit weissen Hauben pflegen sie. Wir schreiben das Jahr 1914, Beginn des Weltkriegs und des Siegeszugs von «Parsifal», der nach Ablauf der Schutzfrist just damals einsetzte. Offensichtlich setzt dieser «Parsifal» den «Tristan» fort, den Guth in Zürich in der Villa Wesendonck ansiedelte. Es erstaunt, wie der raffinierte Regisseur Guth Schablonen verwendet, etwa «das letzte Liebesmahl», das aus der Wunde des stöhnenden Amfortas abgezapft wird, die «Blumenmädchen» auf einer Golden-Twenties-Party und der «reine Tor» im Park auf einer Kinderschaukel, Kundrys weibliche Reize beobachtend.
Gerade die hochkomplexe Figur der Kundry leidet unter der Verengung der Handlung auf die Erlösungssucht: Sie wirkt klischiert, wälzt sich im ersten Aufzug mit strähnigem Haar auf dem Boden, verführt im zweiten dann rothaarig im Cocktailkleid. Yvonne Naef ist mit ihrer wuchtigen Stimme kaum im Zaum zu halten, sauber in der Intonation, aber etwas schrill forcierend.
Eindrückliche Titelrolle
Dies liegt allerdings auch an Daniele Gatti am Pult. Er liebt die rauschende Orchestersymphonik, aber Struktur, Linie und Zurückhaltung sind seine Sache nicht. Eine echte «Trouvaille» im ausgetrockneten Wagner-Sängerangebot ist Stuart Skelton in der Titelrolle. Seine Stimme hat Kraft, ist sonor in der Tiefe und strahlend in der Höhe. Thomas Hampson liefert eine glänzende Studie als leidender Amfortas, sein «Erbarmen» geht wirklich zu Herzen.
Mit Längen auf der einen und starken Momenten auf der andren Seite bleibt dieser «Parsifal» zwiespältig. Zu Letzteren gehört, wie Klingsor (Egils Silins) im ersten Stock der Villa Kundry im Erdgeschoss verzaubert. Oder die Projektionen, nackte Füsse auf der Wiese und Stiefel auf Asphalt, die Raum schaffen für Assoziationen.