Tobias Gerosa, Basler Zeitung (06.07.2011)
Mozarts Jugendwerk «Il Re Pastore» im Opernhaus Zürich
Was die Zürcher Festspiele sein und erreichen wollen, bleibt auch diesen Sommer unklar. Im Opernhaus bedeuten sie primär Stars, zu erleben neu in Mozarts Jugendwerk «Il Re Pastore»: Bei William Christie und dem Orchstra La Scintilla geht das auf, bei Rolando Villazon weniger.
Bisher hat William Christie am Opernhaus barocke Opern dirigiert: Rameau und Händel, nun hat er sich mit dem Orchestra La Scintilla, dem Zürcher Hausorchester auf alten Instrumenten, erstmals hier Mozart zugewandt. Keinem der Werke des Kanons, sondern der «Serenata Il Re Pastore», die am Opernhaus noch gar nie gespielt wurde. Ein Jugendwerk, zwar auf Text von Metastasio, das aber kaum Dramatik entwickelt und den Ruch als Huldigungswerk für zwei Herrscher (Alexander der Grosse als edler Herrscher, der im Hirten die Majestät erkennt und ihn zum Stadtherrscher macht) nicht ablegen kann – wenigstens szenisch.
Durchartikulierter Orchestersatz
Christie und das blendend eingespielte Orchester machen aber vom ersten bis zum letzten Ton deutlich, dass die musikalisch typische Feinzeichnung der Figuren schon da ist. Die Tempi sind oft rasant (und der Abend somit noch schneller vorbei: Keine zweieinhalb Stunden, inklusive Pause), das Stimmengeflecht wird exemplarisch durchhörbar. Mit welch überzeugendem Resultat der ganze Orchestersatz durchartikuliert ist, vertreibt jeden Gedanken ans harmlose Hirtenspiel.
Das Ensemble auf der Bühne folgt Christie sehr genau: Martina Jankova als wahrscheinlich zu sopranleichter, aber anrührender Aminta (nur das starke Vibrato stört), Malin Harteilus als empfindsame Elisa, Sandra Trattnigg als Tamiri und die Tenor-Entdeckung Benjamin Bernheim als Königsberater Argenore – eine gut eingespielte und stimmige Ensemblebesetzung. Und dazu eben Rolando Villazon als Alexander. Neben den vier frischen und leichten Stimmen wirkt sein Tenor verhangen, mit den Koloraturen kämpft er wie mit der Tiefe, die Mozart seinen Tenor-Herrschern zumutet.
Finaler Jubel von den Fans
Villazon bemüht sich sicht- und hörbar, sich ins Ganze einzufügen, das gelingt ihm aber kaum – zu überholt wirkt sein sehr getragener Rezitativstil, zu wenig versteht er seine Arien dynamisch zu differenzieren. Aber Villazon ist ein Sänger, der weiss, was er singt, das kann man ihm auch hier zugutehalten, auch wenn der finale Jubel vor allem von Fans gekommen sein dürfte.
Und die Szene? Fraglich, ob die Rehabilitierung des Stücks auch für sie gilt. Grischa Asagaroff hat die organisatorischen Fäden im unter ständigem Hochdruck produzierenden Opernhaus als Betriebsdirektor straff gehalten – aber ohne Idee, was man erzählen will, funktioniert seine Regie gerade in einem Stück wie diesem nicht. In einer pittoresken Brunnenkulisse und üppigen Kostümen wie von anno dazumal (Luigi Perego) lässt er die Sänger stehen und singen: Etwas Ironie, eine Prise aufgesetzte Brechung und sonst viel Routine und offenbar den Sängern überlassene Initiative – mal parodistisch (Villazon, der seine Figur damit mehrmals buffonesk denunziert), mal blasiert (Bernheim) und meist halt mit den bekannten Operngesten. Ärgerlich und einmal mehr: wenigstens die Musik.