Turbulenter Opernklamauk nach Rossinis Herzenslust

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (09.09.2011)

La Scala di Seta, 07.09.2011, Winterthur

Traditionell eröffnet das Zürcher Opernhaus die Saison in Winterthur. Heuer wählte Intendant Alexander Pereira die Opernfarce «La Scala di Seta» des 20-jährigen Rossini. Ein handfester Spass, wie die Premiere am Mittwoch zeigte.

Sie sind Meister optischer Chiffren auf der Opernbühne, der Regisseur Damiano Michieletto und sein Ausstatter Paolo Fantin, und das in ganz unterschiedlichen Stücken. Nach den ernsten Giuseppe-Verdi-Opern «Il Corsaro» und «Luisa Miller» in Zürich beweisen sie ihr Format nun auch in einer Buffa von Gioachino Rossini, die am Mittwoch Premiere gefeiert hat.

Im Theater Winterthur haben sie eine Spiegelwand im Winkel von 45 Grad aufgestellt, und wir sehen dadurch von oben auf den Grundriss einer Wohnung, wie sie ein Architekt zeichnet. Massstab 1:1 steht am Rand und nicht nur das, der Plan wird auch sogleich möbliert mit Betten, Tischen, Stühlen, Sängern. Ja, auch die Solisten werden von den Bühnenarbeitern wie Requisiten hereingefahren und sorgfältig platziert, während Rossinis bekannte, im Konzert viel gespielte Ouvertüre zu «La Scala di Seta» abschnurrt.

Finessen zur Geltung gebracht

Den Rest dieser Opernfarce des 20-jährigen Rossini kennt jedoch kaum jemand, und das eigentlich zu Unrecht. Denn schon in diesem Alter verfügte der gewiefte Operncembalist über pausenlos sprudelnde Ideen und ein souveränes Handwerk. Abwechslungsreich gestaltet er die Arien, variiert die Ensembles und beweist auch in der Instrumentierung sein Können, etwa mit einer wunderschönen Sopran-Englischhorn-Arie oder Streichern, die mit Ponticello-Tönen eigentümlich fahle Klänge zu den Holzbläsern beisteuern.

Zsolt Hamar, der das Orchester des Musikkollegiums leitete, das wie üblich die Saisoneröffnung in Winterthur spielt, arbeitete solche Finessen mit Klangsinn heraus und liess mit einer wachen Dynamik den Sängern den nötigen Raum zur vokalen Entfaltung. Allerdings hätte er doch ab und zu, vor allem auf die Finali hin, etwas mehr Gas geben dürfen. Sowohl das Orchester wie die Sänger hätten das ohne Mühe verkraftet, und Rossinis Musik schreit geradezu danach, auf Hochtouren getrieben zu werden.

Auch so überzeugte das Zürcher Ensemble sängerisch in allen Partien. Sen Guo mit ihrem glockenhellen, geschmeidigen und höhensicheren Sopran, Edgardo Rocha mit tenoraler Beweglichkeit und einem ansprechenden Timbre. Der Bariton erhält von Rossini eine Schmacht-Arie, die jedem Tenor bestens anstehen würde und die Davide Fersini entsprechend stilsicher zur Karikatur werden liess. Christina Daletska und Raimund Wiederkehr fielen auch nicht ab, und den Spassvogel vom Dienst gab Ruben Drole als tumber Diener Germano mit unermüdlicher Lust am Chargieren, und das sowohl mit stimmlichen wie gestischen Mitteln.

Tolles Theatervergnügen

Denn auch das kann Regisseur Michieletto: ein schauspielerisch fähiges Ensemble anleiten zu komödiantischer Theaterlust bis hin zum Klamauk. Natürlich war fast alles in dieser turbulenten Inszenierung völlig überdreht, aber so ist nun mal die haarsträubende Geschichte, die kein Mensch wirklich ernst nehmen kann. Michieletto versuchte es gar nicht erst, sondern liess die Figuren jene Karikaturen bleiben, als die sie gezeichnet sind, und tat alles, sie noch mehr zu überzeichnen. Auch in dieser Beziehung überzeugte das Ensemble voll und ganz und zeigte mit viel Engagement und Körpereinsatz, wie man sich im Dunkeln küsst und ohrfeigt oder wie man sich in einer Wohnung ohne Wände versteckt und einander imaginäre Türen vor der Nase zuschlägt: Opernklamauk nach Herzenslust, ein Vergnügen, mehr will es nicht sein.