Christian Fluri, Mittelland-Zeitung (25.10.2011)
Der Gesang ists, der in Dvoraks «Rusalka» am Theater Basel berührt – die Regie scheitert
Herzzerreissend singt Svetlana Ignatovitch vom Ende ihrer Liebe zum Prinzen. Sie zerbricht an seinem Liebesverrat. Selbst seine Reue kittet die Beziehung nicht mehr. Der ganze seelische Schmerz strömt aus ihr heraus. Eindrücklich gestaltet die Sopranistin, Nachwuchssängerin des Jahres 2010, die Rusalka am Theater Basel, die Titelpartie von Antonin Dvoraks Oper. Nur gerade am Anfang des dritten Aktes gerät sie an die Grenze ihrer Kräfte, doch noch hier beeindruckt sie durch innige Gestaltung. Sie ist ganz die von Sehnsucht erfüllte Träumerin. Für ihre Liebe zum Prinzen gibt die Nixe Rusalka ihre alte soziale Heimat auf. In Dvoraks Märchenoper wird sie Mensch – zum Preis, dass sie die Stimme verliert. Und die Rückkehr bleibt ihr verwehrt. In der Basler Aufführung wird dies als unmöglicher Aufstieg aus der Unterschicht in die Gesellschaft der Reichen gedeutet.
Die Kraft des Gesangs
Stark gesungen wird in der Basler «Rusalka»: Den Solisten und dem Chor ist der Applaus gewiss. Tenor Maxim Aksenov gibt den Prinzen mit schönem Schmelz. Zeigt auch Härte im Klang, wenn den Prinzen die Gier packt, er Rusalkas Verstörung nicht versteht. Nur selten forciert er. Mit berührender Sinnlichkeit singen er und Igantovich die Liebesduette. Grosse Klasse ist Liang Li als Wassermann, Herrscher über das Reich der Nixen und Nymphen. Mit ausdrucksstarkem, kernigem Bass entfaltet er die Aura einer unbezwingbaren, dunklen Macht.
Die Mezzosopranistin Khatuna Mikaberidze ist eine abgründige Hexe, die etwas Gewalttätiges hat. Eung Kwang Lee gibt mit agilem Bariton den Förster als einen menschenverachtenden Schergen in der Welt der Reichen. Allein Ursula Füri Bernhard vermochte in der Rolle der fremden Fürstin nicht ganz zu überzeugen. Sie ist nicht die Verführerin, die den Prinzen von Rusalka weglockt.
Leider ist es allein der Gesang, der hier tief berührt. Die Regie von Jurate Vansk lässt uns ziemlich kalt. In ihrer ersten grossen Opernproduktion scheitert sie am Stoff und musste dafür auch einige Buhs einstecken.
Vansk bricht die mythologische Geschichte auf die heutige reale Welt irgendwo in Osteuropa herunter. Die Welt der Geister und Nixen ist bei ihr eine Gruppe verrohter und noch im Archaischen steckender Armer. Die Welt der Menschen, des Prinzen, deutet sie als reiche, dekadente Gesellschaft, die sich mit Sex, Wodka und Champagner vergnügt. Beide Gesellschaften sind gestrandet, wie uns das Strand-Bühnenbild von Martina Segna erzählt. Sie sind ohne Perspektive, ohne Menschlichkeit.
Verbindung zur Mythologie fehlt
Einmal schafft Vansk die Verbindung zur Mythologie der Seejungfrauen nicht. Daran ändern auch einige von ihr gesetzte Bezüge nichts: Wenn Rusalka in ihrer Liebesverzweiflung das Meer umarmt, wirkt das nur aufgesetzt. Der Regie mangelt es an Stringenz. Sie lässt kaum ein Klischee aus und verliert sich in belanglosen Details, in einem sexuellen Agieren bis zum Überdruss und im Mix von plattem Realismus und blasser Satire. Die Figuren sind oberflächlich gezeichnet.
Rusalka wird als Abtrünnige von Männern der archaischen Gruppe vergewaltigt, bevor sie zum Prinzen kann. Dieser Schock lässt sie verstummen. Nur, indem Vanks die Rusalka nach der Vergewaltigung davonlaufen lässt, als wäre nichts passiert, zerstört sie ihr eigenes Bild. Auch dass Prinz und Rusalka im Anderen nur ihre eigene Projektion sehen, kommt wie nebenbei daher. Selbst der Schluss bleibt fad.
Das Sinfonieorchester Basel erweist sich als solider Begleiter. Konzentriert und meist präzis folgt es dem genau dirigierenden Kapellmeister Giuliano Betta. Ihm gelingt es, gerade in dramatischen Szenen hohe Spannung zu erzeugen – die er aber auch wieder einbrechen lässt. Aufführungen bis Februar 2012.