Füchslein tollt im Märchenwald

Verena Naegele, St. Galler Tagblatt (17.10.2006)

Príhody Lisky Bystrousky, 15.10.2006, Zürich

Katharina Thalbach inszeniert Janaceks «Das schlaue Füchslein» am Opernhaus Zürich

Bunt ist der Wald, märchenhaft verspielt sind die Tiere. Katharina Thalbachs Inszenierung von Janaceks «Schlauem Füchslein» führt in eine längst vergangen geglaubte Zeit – und verzaubert trotzdem.

Wenn sich der Vorhang zum ersten Mal hebt, präsentiert sich dem Publikum eine kleine, kunterbunte Schatzkiste: Gemächlich schleicht eine Weinbergschnecke quer über den Bühnenboden, aufgeregt sirrt eine Libelle durch die Luft und aufgebracht stellt ein Igel seine Stacheln. Mittendrin steht der Förster (Oliver Widmer) und weiss sich ob dem prächtigen Treiben kaum zu helfen. Märchenland ist angesagt, denn Ausstatter Ezio Toffoluti «komponiert» Bilderbuchlandschaften von wahrhaft ergötzlichem Witz.

Nur manchmal, wenn sich der Förster etwa in einem übergrossen, die halbe Bühne beanspruchenden, gulliverartigen Schuh als Trampel im «Mikrokosmos Waldboden» präsentiert, droht das Ganze zu kippen, und man beschwört die Opernhausarchitekten Helmer und Fellner, warum sie nur eine so kleine Bühne gebaut haben. Sonst aber darf ein Abend lang geschmunzelt werden, ob der aufgeplusterten Hennen auf der Hühnerleiter etwa, die im choreografischen Takt ihre Eier legen.

Von Menschen und Mücken

Toffolutis Kostüme geben Katharina Thalbach Attribute zur Charakterisierung der Figuren in die Hand, mit denen die Regisseurin wunderbar spielt. Auch die Menschen erhalten in ihren kurzen Auftrittsequenzen überraschende Konturen. Oliver Widmer ist ein tollpatschig naiver Förster mit beweglich schlank geführter Stimme, Pavel Daniluk ein leicht heruntergekommener Pfarrer mit mächtigem Bass und Peter Straka ein liebestoller Lehrer mit stählern timbriertem Tenor. Straka bekommt in der Verwandlungsmusik vom Wirtshaus zum Wald vor dem weissen Vorhang auch einen schwierigen Soloauftritt, den er zu einer brillanten «Sauf-Pantomime» nutzt.

Überhaupt setzt Thalbach die Verwandlungen sehr gezielt ein, kreiert sogar neue Texte, die der junge Frosch mit riesig aufgesperrtem Maul oder eine Schar sirrender Mücken theatralisch köstlich vortragen. Von der Bühne könnte man also tausend liebevolle Details erwähnen, die manchmal allerdings auch verpuffen. Einiges wirkt zu wenig scharf in den Konturen, und die eigentlich choreografisch geschickt auf die Musik abgestimmten Gesten sind manchmal unpräzise. Dies lag aber weniger am Ensemble auf der Bühne, als vielmehr daran, was aus dem Orchestergraben zu hören war.

Klangvolle Tierstimmen

Janaceks Musik ist vielschichtig in der Struktur, seine stilistische Eigenart der «Melodie des gesprochenen Wortes», des Skizzierens von seelischen Vorgängen und lautmalerischen Tieräusserungen ist höchst komplex. Doch trotz der Kleinzelligkeit und der stark rezitativisch gestalteten Faktur, trägt die Musik mit Farbigkeit und differenzierter Rhythmik durch das Stück.

Adam Fischer aber setzt in seinem Dirigat zu sehr auf den grossen Bogen und die weiterführende Gestik. Was dabei etwas auf der Strecke bleibt sind die kleinzelligen Konturen, die durch Taktwechsel intendierten rhythmischen Schärfen.

So wirkt die Musik zwar blühend, aber etwas flach und ohne die Janaceksche Tiefendimension. Damit hat auch das grosse Sängerensemble bei gewissen Einsätzen zu kämpfen, meistern aber insgesamt mit Bravour die schwierigen Klippen.

Besonders zu erwähnen ist das Fuchspaar: Martina Jankovà mit leichter, beweglicher Stimme, die einzig in der Höhe gegenüber dem lauten Orchester manchmal forcieren muss; Judith Schmid als Fuchs mit wunderbar weich und klar geführtem Mezzosopran. Das anrührende Werben des liebestollen Fuchses um Füchslein Schlaukopf wurde so musikalisch wie szenisch zum Highlight des Abends.