Tobias Gerosa, St. Galler Tagblatt (18.06.2012)
Eine schwierige Oper, bekannte Künstler und eine zurückhaltende Inszenierung: Intendant Alexander Pereira verabschiedet sich mit Hindemiths «Mathis der Maler» von Zürich.
Das Opernhaus Zürich schliesst die Saison mit Paul Hindemiths Oper «Mathis der Maler» ab, die unter der Naziregierung entstanden ist, damals aber unerwünscht war. Nach Pfitzners «Palestrina» im Herbst ist das bereits die zweite grosse und anspruchsvolle deutsche Künstleroper in der vergangenen Spielzeit.
Vom Abschied des Chefdirigenten Daniele Gatti ist in Zürich viel weniger die Rede als vom Intendanten Alexander Pereira und dem Ballettdirektor Heinz Spoerli. Gatti hat das Orchester in seinen gerade mal drei Spielzeiten wenig geprägt. Gatti ist für den Raum des Opernhauses auch im «Mathis» oft deutlich zu laut, ja manchmal grob – und viele Einsätze schienen an der Premiere am Samstag rhythmisch erst ungefähr geprobt.
Maler zwischen den Fronten
Das fällt auf, weil Gatti nicht nur die das Mittelalter zitierenden Choräle und Volksliederfragmente der Partitur klar hervorhebt, sondern die herben, distanziert-kühlen Elemente der Partitur wirken lassen will. Es wird hörbar, dass das Stück mehrere Ebenen hat und es nicht nur oberflächlich um den Maler geht, der in den Wirren der Reformationszeit zwischen die Fronten gerät: Als Hofmaler von Kardinal Albrecht hilft Mathis dem reformierten Bauernführer Schwalb zur Flucht. Ein Künstler zwischen der herrschenden und einer neuen religiös-politischen Idee: Schwierig, da nicht an die Entstehungszeit der Oper zu denken.
Regisseur Matthias Hartmann, bis 2009 Intendant des Schauspielhauses Zürich und seither Leiter des Burgtheaters Wien, sind laut Programm direkte Parallelen aber zu platt. So belässt er das Stück in der Reformationszeit und zwischen Einfachheit und sanfter Stilisierung. Wo er wenig zu machen versucht, schleichen sich die bekannten Operngesten in statischen Arrangements ein. Johannes Schütz‘ einfache schwarze Halbkreisbühne wirkt dann trotz Multifunktionspodest beliebig, ebenso auch die mittelalterlichen Kostüme (Victoria Behr). Darin bleiben Nebenfiguren szenisch blass. Das ist schade, denn mit bekannten Sängern wie Gregory Reinhard (Riedinger), Stefania Kaluza (Gräfin) oder Benjamin Bernheim wäre sicher mehr herauszuholen gewesen – auch wenn man es nicht platt zeigen will.
Die Inszenierung überzeugt da, wo klarere Entscheide gefragt sind: In der Gestaltung der Beziehung von Mathis zu den beiden Frauen etwa (Sandra Trattnigg als feinsinnige Regina, Emily Magee als stählern gleissende Ursula) oder bei Kardinal Albrecht, dessen Schwanken zwischen den Fronten, zwischen Gewissen und Verpflichtung bei Reinaldo Macias darstellerisches Format gewinnt.
Eindrücklicher Wahn
Aber die Opernproduktion hat zum Glück Thomas Hampson als Mathis. Als einziger hat er keine Mühe, seine Stimme auf und über das Orchester segeln zu lassen. Den Text gestaltet er so exakt, als sänge er Lieder. Die zentrale Visionsszene bebildert die Regie mit einer Mischung von projizierten Bildern des Isenheimer Altars und Live-Bildern von der Bühne, eindrücklicher ist aber Hampsons musikalische Gestaltung. Wie er sich in den Wahn steigert und dann zum ruhigen, nach innen gesungenen Schluss mit seinem Abschied von Künstlertum und Welt findet, ist grandios. Da kann man auf die aktualisierende Szene durchaus verzichten.