Urs Mattenberger, Mittelland-Zeitung (11.09.2012)
Das Luzerner Theater zeigt Mozarts Titus-Oper als raffinierten Psycho-Krimi mit vielversprechenden neuen Sängern.
Schon zum Auftakt knallt es. Es liegt auch am Luzerner Sinfonieorchester, das in der Ouvertüre zu Mozarts Oper «La Clemenza di Tito» klarmacht: Das ist das Hauptereignis dieses Opernabends. Die Holzbläser unter der Leitung von Howard Arman steuern innige Töne und geheimnisvolle Farben bei – allen voran das reich schattierte Spiel des Klarinettisten Thomas Brand auf einer eigens nachgebauten Bassettklarinette.
Die halbtransparenten Glastüren (Bühnenbild: Werner Hutterli) reihen sich nahtlos zum repräsentativen Bogen. Aber die Hand, die heftig auf der Glaswand verrutscht, stört die klinische Ordnung: Schemenhaft wird erkennbar, dass sich hier im Liebesakt zwei Körper aneinanderdrängen. Die Szene ist exemplarisch für das körperintensive Spiel, mit der Regisseurin Vera Nemirova dieser Parabel um Herrscher-Güte alle «Opera-seria»-Langeweile austreibt.
Im Zentrum steht Tito, ein römischer Herrscher, der die Staatsraison über persönliche Interessen stellt und seiner grossen Liebe entsagt. In der Folge wechselt er seine Bräute wie andere die Unterwäsche. Und merkt nicht, wie Blindheit für die Gefühle anderer zu einem tödlichen Komplott gegen ihn führt. An diesem Abend wird reihenweise bis auf die Unterwäsche ausgezogen, wobei das Brautkleid von Titos einstiger Geliebten zum Symbol gesellschaftlichen Zwangs wird. Die Gesellschaft auf der Bühne hat Züge eines Sektenstaates.
Starker Opernabend
Die Entdeckung des Abends ist die Sopranistin Svetlana Doneva als Intrigantin Vitellia – stimmlich wie in der erotisch-schicken Bühnenpräsenz. Ihr ebenbürtig ist Marie-Luise Dressen (im Ensemble seit letztem Jahr): Dem Komplott-Anführer Sesto gibt sie anrührend-innige Töne seelischer Zerbrochenheit. Carolyn Dobbin als Annio und Dana Marbach als Servilia runden als zweites, richtiges Liebespaar das neue Ensemble ab.
Deutlich gereift klingt Tenor Utku Kuzuluk in der hier doppelgesichtigen Titelrolle: Zwar gibt die Inzenierung den Herrscher und sein Pathos der Lächerlichkeit preis, sie lässt ihn am Schluss aber weit über diese Rolle hinauswachsen. Das gilt auch für Kuzuluk selbst. Ein starker Opernabend mit stimmungsvollen Bildern und einer raffinierten Psychologie.