Sturm auf der Bühne, nur ein laues Lüftchen in der Seele

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (15.09.2012)

Kátja Kabanová, 13.09.2012, Basel

Man hat sich mehr erhofft von der Saisoneröffnungspremiere am Theater Basel, der Oper «Katja Kabanova» von Leos Janácek am Donnerstag. Die erste Opern-Inszenierung von Armin Petras wirkte unentschlossen und kryptisch.

Die Wolga ist schon da: Im Wasser steht der baufällige Neubau, den Kathrin Frosch auf die Basler Bühne gestellt hat. Man kann ihn drehen, und beim Sturm sogar richtig schütteln, was rein technisch schon ziemlich Eindruck macht. In dieser Investitionsruine hat sich ein obskures Labor eingerichtet, wo Menschen mit Kitteln, Haarnetzen und Gesichtsmasken mit dem Wasser der Wolga Dinge tun, die ziemlich giftig aussehen. Katja, Warwara, die Kabanicha und alle anderen Personen von Janáceks Oper gehören zu diesem Zirkel, von dem nie klar wird, was, warum und auf wessen Auftrag hier eigentlich passiert. Auf ein riesiges Transparent hat jemand die apokalyptische Zahl des Bösen, 666, gesprayt, aber so richtig satanistisch wirkt das Treiben dann auch wieder nicht. Zwar steigt die Kabanicha mit Dikoj in giftgrünen Taucheranzügen in ein gruslig schäumendes Bad – soll vielleicht verjüngend wirken –, aber ansonsten sieht diese Belegschaft einigermassen alltäglich aus, und Warwara wirkt wie ein natürliches, lebenslustiges Mädchen von heute, während Katja sich in ihren Ängsten und Visionen, ihrer Angst vor Blitz und Donner tatsächlich ein wenig seltsam gebärdet.

Armin Petras, gefeierter Schauspielregisseur und dekoriert mit mehreren Einladungen ans Berliner Theatertreffen, inszeniert mit dieser «Katja» in Basel seine erste Oper. Ein Wurf war das nicht: Zwar spiegelte die hermetische Atmosphäre die unwirkliche Stimmung in Janáceks Musik, zwar gelang in der Sturmszene ein beeindruckendes Brimborium, das aber nicht durch eine entsprechende Aufgewühltheit im Inneren von Katja gespiegelt worden wäre.

Szenisch nicht greifbar

Generell erhielten die Figuren nur wenig individuelles szenisches Profil. Und dass ein Double von Katjas abwesendem Ehemann Tichon wie ein Hausgeist quasi als das personifizierte schlechte Gewissen jeden ihrer Schritte beobachtet, war auch schon die einzige szenische Idee dieser Regiearbeit. Zwar erzählt Petras im Programmheft von Erdbebenforschung und Menschenversuchen, aber szenisch greifbar werden solche Einfälle nicht.

Auch musikalisch blieb manches an der Oberfläche, angefangen beim Sinfonieorchester Basel, das stellenweise noch starke Orientierungsmängel in dieser Partitur nicht verbergen konnte, und das von Enrico Delamboye auch nicht wirklich tief in die klangfarblichen Finessen von Janáceks spezieller Musik eingeführt worden war. Zuwenig konnte der Dirigent Janáceks extrem aufgefächerte, vielfältige, stets und schnell in ihren Stimmungen und Farben wechselnde Musiksprache zum Leben erwecken. Das kann man zweifellos besser spielen, mit mehr wacher Aufmerksamkeit in den Details und mehr Kontrast zwischen dunkel glühendem Verlangen und unheimlich verschatteter Beklemmung. Auch singen kann man es besser: Die Amerikanerin Mary Mills verfügt zwar über eine sehr einnehmende, klar und gut geführte Sopranstimme. Aber ihre Katja klang stets sehr ähnlich, farblich auf korrekte Schönheit bedacht, was für diese ein wenig undurchschaubare Figur zu wenig war. Dagmar Peckova als Kabanicha, einst ein grosser tschechischer Sopran, war hier stimmlich nur noch eine Karikatur, dafür überzeugte Solenn’ Lavanant-Linke als Warwara. Solid insgesamt der Eindruck bei den Männerstimmen: Ludovit Ludha als Boris, Andrew Murphy als Dikoj, Tomas Cerny als Tichon.