Susanne Kübler, Tages-Anzeiger (15.09.2012)
Nur knöcheltief ist das Wasser auf der Bühne, das im Original von Leos Janaceks «Katja Kabanova» die Wolga wäre. In Gummistiefeln waten die Personen durch das Becken - und durch eine Inszenierung, die ihrerseits höchstens knöcheltief ist. Armin Petras hat sie geschaffen, der als Schauspielregisseur und Leiter des Berliner Gorki-Theaters für die Aktualität von alten Stoffen plädiert und sich nun für sein Operndebüt ein Werk ausgesucht hat, dem mit seinen Mitteln nicht beizukommen ist.
Nicht, dass man die echte Wolga vermisst hätte. Die Idee, die Handlung der «Katja Kabanova» in einem Labor anzusiedeln, ist schon in Ordnung. Man muss allerdings das Programmheft lesen, um zu wissen, dass es hier um Erdbebenforschung geht (weil ja der Ehebruch der Katja ein Erdbeben verursacht in dieser Kleinstadt); sehen tut man Atemmasken und giftige Flüssigkeiten, die eher an die chemische Industrie erinnern. Aber auch das wäre nicht falsch, schliesslich ist zumindest die Schwiegermutter in diesem Stück ziemlich giftig, wenn sie ihrem Sohn Tichon vorschreibt, wie er Katja zu misshandeln habe (und Dagmar Pecková weiss, wie man giftig singt).
Das Problem liegt anderswo: dass man nämlich den ganzen Abend nicht weiss, warum einen diese Labormitarbeiter interessieren sollten. Während Petras’ Vorgänger Jan Bosse und Stefan Pucher bei ihren Basler Operndebüts den Zauber der Gattung für sich entdeckten, wird er ihr hier gründlich ausgetrieben. Was dieses Stück ausmacht - die Suche nach dem Grossen und ihre Unvereinbarkeit mit dem Kleinlichen -, wird seziert, bis nur noch Theatermanierismen übrig bleiben: endloses Wassertreten und eine schicke Sängerinnen-Projektion auf einer Plastikblache. Dagegen kommt selbst Mary Mills nicht an, die der Katja einen melancholisch leuchtenden Sopran verleiht. Und auch nicht das von Enrico Delamboye geleitete Sinfonieorchester Basel, das den so besonderen Janacek-Tonfall fast immer trifft.
Am seltsamsten aber ist, dass Petras gerade dort nicht weiterkommt, wo er zu Hause wäre: beim Schauspiel. Beziehungsweise beim Schauspieler Peter Moltzen, den er dem Opernpersonal gegenüberstellt - als Alter Ego des Tichon, der von seiner Mutter ja rasch aus der Handlung spediert wird. Moltzen verkörpert jene Seiten der Figur, die Janacek seinem Publikum vorenthält: So erklärt Petras seine Idee. Sehen tut man nur, dass da ein Tichon mit immer dem gleichen bekümmerten Gesichtsausdruck um das Labor schleicht. Erst als Katja tot ist, spricht er mit ihr, lautlos. Wir wollen auch gar nicht wissen, was er ihr zu sagen hat.