Französisches aus Italien

Verena Naegele, Basler Zeitung (21.03.2006)

La Favorite, 19.03.2006, Zürich

Opernhaus Zürich: «La Favorite» von Donizetti

Belcanto-Oper mit Erschwernissen: «La Favorite» von Gaëtano Donizetti wurde am Opernhaus Zürich aufgeführt.

Léonore de Gusman ist die Favoritin des Königs, seine Mätresse. Und sie ist die Favoritin des Novizen Fernand, der für sie das Kloster aufgibt, in den Krieg zieht und vom König ihre Hand gewinnt - zu dessen Vorteil, denn sonst ereilt ihn der Kirchenbann. Der Preis für den «armen» Fernand, tollpatschig dargestellt und virtuos gesungen von Fabio Sartori, ist hoch - er verliert die Ehre, das höchste Gut der Männer. Die Folge: Donizettis Pariser Oper von 1840 ist zum Glück keine Favoritin des Repertoires!

Auch Regisseur Philippe Sireuil hat seine Mühe: «Bei jeder Lektüre entgleitet es mir, (...) ein Wust von abgedroschenen Wörtern und verbrauchten Clichés», sagt er. Und die Musik? Donizetti macht Konzessionen an den französischen Geschmack. Neben dem unvermeidlichen Ballett wirkt die Faktur schwerer, über weite Strecken wuchtig und rhythmisch aufgeladen. Um dem Gusto der Pariser Genüge zu tun, sind Anklänge von Fandango und Bolero eingewoben.

FINESSEN. Dirigent Mark Minkowski setzt ganz auf diese Dramatik. Er schafft es, dank der an barockem Musizieren geschulter Finesse die Durchhörbarkeit zu wahren, was den Abend trotz Donnergetöse erträglich, zuweilen gar beschwingt macht. Trotzdem fehlen über weite Strecken die Kantilenen des Belcanto-Komponisten. Leidtragende ist vor allem die Titelfigur: Vesselina Kasarova. Wie haben wir sie schon bewundert für ihre ausgefeilte Technik, Farbenvielfalt und Verinnerlichung! Als Léonor ist sie zu oft mit «Oh mon Dieux»-Ausrufen beschäftigt, nur in einer Arie kann sie ihre Meisterschaft zeigen.

Sireuils Regie ist eine Wohltat, er erzählt die Geschichte als Traum des Novizen Fernand. Auf der schwarzen Bühne dient ein Schiff in Form eines Wals als Leitbild. Und es darf dank feinen Pointen auch geschmunzelt werden.

FISTELN. So kann Carlo Colombara ungehemmt als Klosterprior seinen kernigen Bass zum Glühen bringen und die Ehrlosigkeit der Menschen verdonnern. Wunderbar auch die Idee, den Don Gaspar mit einem Spieltenor (Eric Huchet) zu besetzen, der mit fisteliger Stimme intrigante Spiele treibt. Solche Brüche machen erträglich, was das Libretto vergeigt. Avi Kaisers Choreografie gehört auch dazu, kein pompöses Fest, sondern ein spukhafter Kampf zwischen Krone und Tiara. Hier und im Zwischenspiel entfaltet Minkowski ein sprühendes Orchesterfeuerwerk.