Der Liebe erlegen

Hans Uli von Erlach, Blick (21.03.2006)

La Favorite, 19.03.2006, Zürich

Barockspezialist Marc Minkowski zum ersten Mal als Belcantodirigent, Vesselina Kasarova mit Rollendebüt und eine Regie, die der Musik den Vortritt lässt. «La Favorite» ist ein Donizetti-Erlebnis zum Schwelgen. Premiere war am Sonntag.

Es geht um Männerehre, Moral und Ehebruch: Die schöne Léonor ist «La Favorite» des Königs, seine Mätresse, die sich aber in den Klosternovizen Fernand verliebt. Der verlässt für sie das Kloster. Und der König verzichtet auf sie, weniger aus Grossmut, denn aus Angst vor Exkommunikation. Im Spanien des 14. Jahrhunderts ist die Kirche noch stark. Es gibt kein Happyend, sondern Schuldgefühle auf allen Seiten und darum so anrührende Musik.

Gaetano Donizetti schrieb das Werk 1840 für die Pariser Oper. Gerade das hat Marc Minkowski, weltbekannt als innovativer Barockdirigent, gereizt: Belcanto à la Française. Mit der teilweisen Wuchtigkeit von grosser Oper tat er sich zu Beginn etwas schwer. Da war es oft bombastisch laut, die Koordination zwischen Sängern, Chor und Orchester geriet ins Wanken. Doch wie er dem grossen Orchester später Farbenreichtum und musikalische Finessen entlockte, berauschte wie französisches Parfum.

Mezzosopranistin Vesselina Kasarova ist als Léonor hinreissend. Äusserlich elegante Grande Dame, innerlich gespalten mit tiefen Empfindungen. All dies drückt sie gesanglich ergreifend aus, man glaubt ihr jeden Ton. Was man nicht von all ihren männlichen Kollegen sagen kann. Fabio Sartori (Fernand) und Carlo Colombara (Klosterprior Balthazar) sind in erster Linie aufs exzellente Singen bedacht.

Raffiniert ist das Bühnenbild von Vincent Lemaire: Ein glänzend schwarzes Halbrund, in dessen Wänden sich die Figuren zuweilen verzerrt spiegeln. Philippe Treuils Regie ist zurückhaltend, aber nie nur leere Staffage. Er bereitet vor allem den idealen Boden für brillantes Singen. Das hat heute wohltuenden Seltenheitswert.