Tom Hellat, Der Bund (10.11.2012)
Der Berner Komiker Massimo Rocchi gibt sein Debüt als Opernregisseur: Am Theater Basel inszeniert er Joseph Haydns Apothekeroper «Lo Speziale» - mit durchzogenem Erfolg.
Nicht die Musik, nicht das Schauspiel, nicht die Sänger sind der Star des Abends, es ist die Übertitelungsanlage. «Ich habe keine Lust auf Arbeit», stellt sie sich vor. Und verzichtet deshalb auf die deutsche Wiedergabe des italienischen Librettos. Viel lieber kommentiert sie das Geschehen: «Achtung, jetzt gehts gleich los.» Oder im Stile des Loriot-Opernführers: «Der Mengone hat viel Arbeit und wenig IQ.» Witzig ist das bisweilen, und manchmal auch etwas lehrerhaft, wenn etwa die Figur des Volpone vorgestellt wird: «Er ist kein echter Mann - Hosenrolle nennt man das - Tscheggsch de Pögg.»
Zusätzliche Ebene
Diese Oper ist also irgendwie auch Oper über Oper. Denn die Regie von Massimo Rocchi zieht mit der Übertitelungskommentierung noch eine zusätzliche Ebene ein in die ohnehin schon kunterbunte Opera Buffa «Lo Speziale» von Joseph Haydn. Gleich drei Männer buhlen da nämlich um die Gunst der hübschen Grilletta, die in Basel aussieht wie eine Mischung aus Mary Poppins und Madonna. Nur singt sie viel schöner: Andrea Suter schraubt sich elegant hoch in die Koloraturen, und verliert dabei die Singnoten nicht aus Kopf und Kehle! Alle sind ihr sofort verfallen: der von Andrew Murphy mit komödiantischem Talent gespielte Apotheker Sempronio, sein wunderbar trotteliger, aber glasklar gesungener Gehilfe Mengone alias Markus Nykänen und ein Bruder Leichtfuss namens Volpino (Anne-May Krüger). Natürlich kommt es in dieser Oper nebst Happy End zu allerlei Eifersüchteleien und Intrigen. «Sie kennen die Geschichte», kommentiert der Übertitel-Erzähler.
Ironisches Als-ob
Es ist das Kunststück dieses 1768 uraufgeführten und selten gespielten Werkes Haydns, echte Emotionen und ironisches Als-ob spielerisch zu verschränken. In der Kehle der einen ist der Liebesschwur Ausdruck grosser Gefühle, in der Kehle des Gegenübers nur fingierte Erregung. Oder umgekehrt. Oder beides zugleich. Wenn etwa im Finale des ersten Aktes Grilletta und Mengone von Sempronio beim Liebesspiel erwischt werden, singen die drei gleichzeitig «Mein Herz zittert», aber jeder einzelne mit unterschiedlichem Hintergrund.
Der musikalische Leiter David Cowan mit seiner Chamber Academy Basel strafft dieser Situation die Konturen zusätzlich, indem er scharf und mit viel Schwung die Eigen- und Besonderheiten der Nebenstimmen herausschält. Atemberaubend, wie hier Vorgetäuschtes und Geglaubtes zusammenfallen.
Vielleicht war das ja auch ein Grund, warum der Komiker Massimo Rocchi sich ausgerechnet diese Apotheken-Oper für sein Debüt als Opernregisseur ausgesucht hat. Er zählt nämlich selbst auf der Theaterbühne zu den unbekümmerten Jongleuren mit den Zeichen der Ironie und kennt sich aus mit dem heiklen Wechselspiel von Parodie und Ernst.
Nur schade gelingt ihm dieser Balanceakt auf der Opernbühne nicht immer gleich gut. Situationskomik und pantomimische Einfälle funkeln zwar in dem von Marion Menziger pragmatisch gehaltenen Bühnenbild, das aus einem verstellbaren Spiegel und dem iPad besteht, mit dem der internetsüchtige Sempione sich in Meldungen vertieft wie «Auf den Molukken wurde eine Perücke aus Drahtgeflecht erfunden». Aber die Regie vertraut letztlich zu stark den Pointen der Übertitelungsmaschine. Und natürlich hat sie nach dem Happy End das letzte Wort: «Das ist das Ende. Ich fühle mich etwas matt - Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Arzt oder: Apotheker.» Der Witz läuft hier konventionsbeladen ins Leere. Joseph Haydns Musik aber, sie klingt stets: wie neu.