Turbulent, virtuos und witzig

Christian Fluri, Mittelland-Zeitung (10.11.2012)

Lo Speziale, 08.11.2012, Basel

Haydns «Lo Speziale» in Basel – inszeniert von Massimo Rocchi

Er hat seine Feuerprobe als Opernregisseur bestanden, der italienisch-schweizerische Komödiant Massimo Rocchi. Mit leichter Hand und viel Witz hat er am Theater Basel Joseph Haydns Dramma giocoso «Lo Speziale» (Der Apotheker) von 1768 nach dem Libretto von Carlo Goldoni inszeniert. Die Geschichte hat Soap-Opera-Format: Drei Männer freien um die lebenslustige Grilletta: ihr Vormund, der alte Apotheker Sempronio, der reiche Gigolo Volpino und der tumbe junge Mengone. Dieser siegt natürlich im Liebeskampf. Was das Stück besonders macht, ihm die Würze gibt, das ist Haydns lebendige und wirblige Musik.

Temporeich und lebendig

Sie lebt vom Tempo, von der Spritzigkeit. Das führen Dirigent David Cowan und das kleine Ensemble junger Musikerinnen und Musiker, die «Chamber Academy Basel», packend vor. Sie bringen Drive, Vitalität und Humor in die musikalische Erzählung. Das Ensemble spielt farbenreich und mit geschmeidigem, schlankem Klang. Cowan treibt vom Cembalo aus das Ensemble und das Sängerquartett an.

Rocchi sagt uns via elektronische Übertitelung gleich zu Beginn, dass er nicht gedenkt, das Libretto ins Deutsche zu übersetzen. Über den Balken mit der elektronischen Schrift flimmern listige Erklärungen und Kommentare. Bühnenbildnerin Marion Menziger grenzt die Spielfläche mit einem Vorhang ab, auf dem gross ein Putten-Amor prangt, der seinen Liebespfeil abschiesst. Viel mehr braucht es nicht auf der Bühne.

Rocchi entwickelt die Komödie ganz aus dem Spiel der vier Sängerdarsteller. Er zeigt uns Menschen von heute und zeichnet sie gleichzeitig als Theaterfiguren der Commedia dell’Arte. Das Basler Komödianten-Quartett spielt und singt mit grosser Lust und Souplesse. Andrew Murphy ist mit markantem, agilem Bass ein herrlich dickbauchiger Apotheker Sempronio, medikamentensüchtig und ein News-Junkie ist er – stets mit dem iPad in der Hand. Wie er leichtfüssig zu den schnellen Rhythmen Haydns tänzelt, ist eine Freude. Anne-May Krüger spielt mit klar zeichnendem Sopran einen aufgeblasenen, narzisstischen Volpino im Frack. So trickreich er agiert, so dumm steht er am Schluss da. Entdeckungen sind die beiden Mitglieder des Basler Opernstudios: Markus Nykänen brilliert als Mengone mit leichtem, schönem Tenor, der nur im Forte noch Schärfen hat. Sein Mengone ist ein etwas tollpatschiger Clown. Andrea Suter mimt mit sinnlichem Sopran Grilletta als bezaubernde Göre, die frech mit ihren Reizen spielt.

Liebestolle und falsche Notare

Da Mengone vor Sempronio kuscht, liiert sich Grilletta aus Rache scheinbar mit dem Alten. Der ruft gleich nach dem Notar. Volpino und Mengone setzen sich Masken auf und spielen Notar, um im Ehevertrag ihre eigenen Namen zu setzen. Die falschen Notare erscheinen als «Basler Zeitung»-Chefredaktor Markus Somm und «Weltwoche»-Chef Roger Köppel. Mit wachsender Verwirrung setzt sich Sempronio die Maske Christoph Blochers auf und versucht die falschen Notare Somm und Köppel unter seine Fittiche zu nehmen. Ein herrlicher Witz. Goldonis Türken-Satire im dritten Akt spielt Rocchi hinterlistig mit und unterläuft sie doch frech mit unseren eigenen Klischeevorstellungen über die Türken. Er spielt oft mit dem Klamauk, stürzt aber nie ab.