Alfred Ziltener, Die Südostschweiz (20.11.2012)
Das Theater Bern bringt Gioachino Rossinis Oper «La Cenerentola» auf die Bühne. Zu erleben gibt es ein ironisch-buntes Märchen, das am Sonntag Premiere gefeiert hat.
Schöner, zuckersüsser hat kaum je eine Oper geendet als jetzt Gioachino Rossinis «Aschenbrödel»-Vertonung «La Cenerentola» am Konzert Theater Bern. Cordula Däuper inszeniert, Srboljub Dinic dirigiert. Im bühnengrossen Modell eines rosaroten Disney-Märchenschlosses, an der Seite ihres blond gelockten Prinzen, darf Aschenbrödel, das hier Angelina heisst, sein virtuoses Schlussrondo singen; das Bühnenlicht strahlt violett; in den letzten Takten zischt Feuerwerk hoch.
Das Schloss ist schon im Finale des ersten Akts zu sehen, als Zuckerguss-torte beim Fest im prinzlichen Palais. Es verkörpert die Sehnsucht nach Macht, Reichtum und Glück, die Rossinis Figuren antreibt. Und es ist das Wahrzeichen des ironisch gebrochenen Märchens, welches das Regieteam erzählen will. Der Bühnenbildner Ralph Zeger und die Kostümbildnerin Sophie du Vinage scheuen dafür keinen Aufwand.
Oftmals zu viel des Guten
Schon allein die grellfarbigen extra vaganten Roben für Angelinas böse Schwestern sind sehenswert. Diese wohnen, zeigt Zeger, mit ihrem Vater in einem Bretterhaufen; Armut und Nachlässigkeit haben Haus und Familie ruiniert. Die Übertitelung – in einem neobarock verschnörkelten Rahmen – ist ins Spiel einbezogen. Sie übersetzt da, fasst dort zusammen oder kommentiert. Leider haut die Regisseurin auf die hübschen Pointen jeweils mit dem Holzhammer noch einen drauf und zerstört sie so.
Auch sonst hat Däuper kaum Sinn für feine Ironie. Dem eleganten Witz von Rossinis Musik begegnet sie mit vergröbernder Groteske. Die Schwestern etwa sind als überdrehte Zicken gezeichnet, deren immer gleiches exaltiertes Gehabe bald langweilt.
Zudem ist Däuper, wie viele junge Regietalente, vom Horror vacui geplagt. Dauernd ist auf der Bühne etwas los. Selbst beim Schlussrondo überqueren ein paar Chorherren im Vogelkostüm flügelschlagend die Bühne und lenken so von der Musik ab: Regie als Einladung zum Weghören.
Überzeugende Stimmen
Dabei lohnt sich das Hinhören. Nach der etwas behäbigen Ouvertüre gewinnen Dinic und das Berner Symphonieorchester an Fahrt, und die Musik entwickelt, vor allem in den Ensembles, prickelnden Drive. Und auf der Bühne stehen sängerisch insgesamt überzeugende, spielfreudige Solisten. Eine Entdeckung ist die 28-jährige Ukrainerin Christina Daletska. Sie besitzt einen frei fliessenden, beweglichen Mezzosopran mit leuchtender Höhe und samtiger Tiefe und gestaltet Angelina mit beseelten Phrasen und präzisen Koloraturen.
Peter Tantsits singt den Prinzen mit schmalem, an der Premiere am Sonntag immer wieder gepresst klingendem, aber sehr agilem Tenor und sicher gesetzten Spitzentönen. Robin Adams ist ein beweglicher Dandini. Camille Butcher und Claude Eichenberger ergänzen sich hervorragend als Schwesternpaar. Michele Govi gestaltet den Vater mit saftigem Buffo-Bass.