Ein Holländer, der über weite Strecken am Boden bleibt

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (11.12.2012)

Der fliegende Holländer, 09.12.2012, Zürich

Opernhaus-Intendant Andreas Homoki hat am Sonntag nun auch als Regisseur in Zürich seine Visitenkarte abgeliefert: Mit einem «Fliegenden Holländer», der erst gegen Ende so richtig abheben wollte.

Auf einer Klippe zu singen: «Hier steh’ ich, treu dir bis zum Tod». Sentas Schlusssatz in Richard Wagners «Fliegendem Holländer» ist stark, der Sprung in die Tiefe erlöst den Holländer von seinem Fluch. Bloss, wo kriegen wir eine Klippe her? Zum Glück ist da noch Jäger Erik, Sentas eigentlicher Verlobter, und er hat ein Gewehr. Sie entringt es ihm und erschiesst sich. Ein starkes Ende einer sonst nicht so recht packenden Operninszenierung.

Denn Andreas Homoki sieht in Daland – völlig zu Recht und auch nicht als Erster – ganz den Aspekt des Kaufmanns und Ausbeuters. Der Seefahrt hat dieser Kapitän schon lange Adieu gesagt, aus der imponierenden Zentrale seines Konzerns dirigiert er die Handelsströme und ist, als er den Holländer trifft, so blind vom billigen Reichtum des verfluchten Seefahrers, dass er ihm sogleich und ohne Bedenken seine Tochter verspricht.

Ein Kontor auf Kosten der Natur

Mit dieser hermetischen Anlage hat der Bühnenbildner Wolfgang Gussmann dem Regisseur auch einige Möglichkeiten verbaut. Alles, was Meer, Sturm, Wind betrifft, ist weit draussen, respektive findet wie im Hochsicherheitslabor nur auf Monitoren statt. Die Natur bleibt ausgeblendet, womit die Matrosenchöre, so sehr sie sich auch ins Zeug legten, Gesänge von Landratten blieben. Um die hohen Holzmauern dieses Handelskontors zu durchdringen, muss man schon übernatürliche Fähigkeiten haben. So taucht auch der Holländer unbemerkt von unten auf, immer wieder verschwindet er durch geheime Türen, ja scheint gleichzeitig an verschiedenenen Orten sein zu können. Zum Gesang der Holländer hat sich Homoki dann eine etwas wirre Szene ausgedacht: Afrikas Rache sozusagen, wenn Dalands Sklave – Beute wohl von früheren, echten Seefahrten – zum Zulu-Krieger mutiert, und während auf dem Monitor die doch soeben mit Holländers Gütern so umfassend kolonialisierte Afrika-Karte in Flammen aufgeht, gefiederte Pfeile die Buchhalter niederstrecken.

Schwierig sind auch die Szenen zwischen dem Holländer und Senta, die von einem Liebesduett eigentlich weit entfernt sind. Eine körperliche Komponente hat dieses Verlangen von keiner Seite, und das zu zeigen war Homokis Absicht, aber die wiederholten Gesten des Abstossens und Distanzierens genügten dafür nicht. Je mehr Menschen auf der Bühne waren, desto weniger machten die Details der Personenführung Sinn. Manches blieb unentschlossen, wirklich starke Bilder waren Mangelware. Rein szenisch entwickelten weder der Holländer noch Senta (bis auf die Schlussszene) wirklich starkes Profil.

Dafür zeigten sich beide sängerisch auf der Höhe ihrer Aufgaben. Bryn Terfel, zum ersten Mal überhaupt am Opernhaus, sang einen souveränen, in jeder Szene beeindruckenden und mit Farben und Schattierungen nicht sparenden Holländer. Bei der Senta von Anja Kampe bangte man früh ein wenig, ob sie dynamisch die angeschlagene Pace auch durchhalten kann. Es ging und es passte zu dieser Senta, dass sie wie ausser sich agierte und somit früh und oft an ihre Grenzen ging.

Scheitern an der Dynamik

Noch einer bewies sängerisch Format: Matti Salminen als Daland, Bass-Urgestein und mit 67 noch immer von beeindruckender Präsenz und stimmlicher Strahlkraft. Keinen glücklichen Abend hatte der wohl erkältete Marko Jentzsch als Erik. Am Pult des Opernorchesters debütierte der Pariser Alain Altinoglu. Und wie fast alle Debütanten überschätzte er die dynamischen Pegel, die aus dem Graben dringen, massiv. Zwar bemühte er sich um leise Töne und eine detaillierte Ausgestaltung der Motive, aber schon ein leichtes Crescendo verführte gleich wieder zum vollen Forte.