Verena Naegele, Basler Zeitung (05.02.2013)
Fabio Luisi dirigiert, Tatjana Gürbaca inszeniert Verdis Oper am Opernhaus Zürich
War das nun wirklich Verdis «Rigoletto»? Diese Frage stellt sich am Ende der Zürcher Neuproduktion der Verdi-Oper mit Tatjana Gürbaca (Regie) und Fabio Luisi (Dirigent), die am Sonntag Premiere hatte. Bange Fragen wirft vor allem Tatjana Gürbaca auf. Sie steht für ein Regietheater, das eine feministische Sicht in den Mittelpunkt stellen will.
Dies macht sie deutlich in einem im Programmheft abgedruckten Interview, und das stach auf der Bühne auch sofort ins Auge: Der Festsaal des Herzogs von Mantua präsentierte sich als mächtiger, die ganze Breite der Bühne einnehmender Tisch, an dem sich die streng gekleidete Männergesellschaft verlustierte. Frauen waren nirgends zu sehen. Bis Monterone (Valeriy Murga) mit dem blutverschmierten Nachthemd seines Mädchens auftauchte und Rache schwor – eine vergewaltigende Männerhorde also hat der Duca um sich geschart.
Fehlende Stringenz
Am Schluss steht der Tisch noch immer, Gilda stirbt darauf wie auf einem Seziertisch, die Männer, mit Pappkronen bekränzt, tragen die «Entseelte» davon, derweil Rigoletto mit einer toten Gilda-Doppelgängerin im Arm darauf zurückbleibt. War die «Entehrung» Rigolettos und seiner Tochter ein surreales Irrgespenst?
Stringent erzählt ist das nicht, und langweilig ist es obendrein. Rigoletto, dieser Hofnarr, ist bei Gürbaca ein bulliger Türsteher mit Haarzopf, der zum liebenden Vater mutieren soll – ein Spagat, der nicht gelingen kann.
Überhaupt ist die Regie gründlich gegen die Musik gebürstet und macht dieser das Leben schwer. Unrühmlicher Höhepunkt ist das Quartett, in dem nicht etwa, wie von Giuseppe Verdi gewollt, jede Figur wunderbar verinnerlicht ihren eigenen Gedanken nachhängt, sondern alle, in gleissendes Licht getaucht, auf und neben dem Tisch sich nähern und die Männer mit Kronen auf der Bühne ihre Gewittermusik dazusummen.
So kann sich Verdi’scher Belcanto nicht einstellen, können sich keine Kantilenen entfalten und melodiös schmelzende Atmosphäre verströmen. Melos und Ruhe scheinen aber auch nicht Stärken des Dirigenten Fabio Luisi zu sein. Er schlägt ein hohes Tempo an, was in der Premiere einige Abstimmungsprobleme zur Folge hatte.
Rezitativisches Parlando wurde ebenso dramatisiert wie die ariosen Passagen. Das kann man mögen, es führt aber zu Eindimensionalität. Quinn Kelsey sang die Monsterpartie des Rigoletto denn auch durchwegs dramatisch gekonnt, seiner Stimme mangelt es aber an «Schwärze» und innigem Schmelz.
Tendenz zum Eindimensionalen
Saimir Pirgu war von der Erscheinung her ein glaubwürdiger Dandy-Duca, und seine Verwandlungskünste zum jugendlichen Sendboten mit gelben Shorts und kecker Frisur in der ersten Begegnung mit Gilda gehörte zum Gelungensten. Seine Stimme ist aber eher leicht, dem Lyrischen verpflichtet, und neigte unter Luisis Diktat zu Intonationstrübungen. Innige Momente verdankte man in erster Linie Aleksandra Kurzak als Gilda. Sie war dank ihrer beweglichen, samtigen Stimme und agilem Spiel zugleich herzzerreissend Liebende und jugendlich Naive.
Ihr ebenbürtig in den Nebenrollen waren Judith Schmid als Maddalena und Christof Fischesser als Sparafucile, obwohl vor allem erstere szenisch zu kämpfen hatte. Die logische Folgen waren kräftige Buhs für die Regisseurin Tatjana Gürbaca und geteilte Publikumsmeinungen für Generalmusikdirektor Fabio Luisi.