Eine Oper, bei der sich Fuchs und Dachs gute Nacht sagen

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (17.10.2006)

Príhody Lisky Bystrousky, 15.10.2006, Zürich

Ein wunderhübsch farbiges Märchenspiel hat Katharina Thalbach am Opernhaus Zürich aus Janáceks Oper «Das schlaue Füchslein» gemacht. Bei der Premiere am Sonntag war allerdings musikalisch noch nicht alles sattelfest.

Ein Hahn und seine Hühner, ein Eichelhäher, ein Dachs und ein Dackel, eine Grille, eine Heuschrecke, ein Frosch, ein Specht und eine Eule, eine Mücke und ein ganzer Kinderchor junger Füchse lässt Janácek in seinem «Opernidyll» neben dem Füchslein Schlaukopf aufmarschieren. Kein kunterbunter Kinderzoo soll das jedoch sein, sondern ein durchaus philosophisches Werk über Liebe, Alter, Abschied und den Lebenskreislauf der Natur.

Ansatzweise hat das auch das Inszenierungsteam in Zürich - die deutsche Schauspielerin und Regisseurin Katharina Thalbach und der phantasievolle Ausstatter Ezio Toffolutti - gesehen: Sie spielen lustvoll mit der Doppelexistenz von Tier und Mensch. Die Kostüme zeigen nicht einfach süsse Tierchen, sondern Mischwesen, die sich tierisch bewegen und doch wie Menschen sind.

Kind im Erwachsenen freut sich

Aber nur dezent lässt Thalbach die Erwachsenenwelt hinter dem wunderschön süss inszenierten Kindermärchen anklingen. Gerade so, dass eine Ahnung von den Tiefendimensionen des Stücks erfassbar bleibt. Vordergründig - und da darf sich das Kind im Erwachsenen und natürlich noch viel mehr das Kind selbst nach Herzenslust freuen - tummelt sich die Tierwelt in wunderschön nachgezeichneten Kostümen und Bewegungsabläufen. Eine Schnecke kriecht sogar der Decke entlang und ein Fliegenschwarm sorgt nicht nur für Bewegung auf der Bühne, sondern - zusammen mit einem umwerfenden Frosch - auch für Theateraktion in den Umbaupausen: Fast alles Kinder notabene, die unter den Kostümen stecken.

Die Produktion entstand im Jahr 2000 für die Deutsche Oper Berlin. Die Adaption von der riesigen Berliner Bühne auf die überschaubaren Verhältnisse in Zürich ist gelungen. Als grosses Plus kommt hier die tschechische Sprache (mit Übertiteln) hinzu, ohne die Janáceks Musik ein wichtiges idiomatisches Element fehlt. Er war bereits 67 Jahre alt, als er im Jahr 1921 an die Komposition seiner siebenten Oper ging. Seine anderen musikdramatischen Werke basieren auf bedeutenden Werken der tschechischen und russischen Literatur.

Der Stoff des «Schlauen Füchsleins» hingegen stammt aus einer Comic-Serie, deren Folgen täglich in einer Brünner Zeitung erschienen. Die Musik ist lyrisch und bizarr zugleich, impressionistische Stimmungen der zartesten Art wechseln mit grellen Lichtblitzen und harschen Akzenten. Wie er in anderen Opern die Sprachmelodie der Menschen in der Musik nachzeichnete, so geht hier Janácek noch einen Schritt darüber hinaus und bringt auch die Tierlaute in die Musik der jeweiligen Figuren ein, am witzigsten bei der schnatternden Hühnerschar im Försterhaus.

Musikalisch fragwürdig

Davon, diese Farben, Stimmungen und Naturlaute nachzuzeichnen, war die Zürcher Produktion bei der Premiere noch weit entfernt. Der Dirigent Adam Fischer wählte zügige Tempi, allerdings vermochte er dem Orchester viel zu oft noch nicht klar zu machen, wie genau er sie sich vorstellte: Für dieses Orchester unüblich viele Wackler und Patzer waren das Resultat.

Und auch die Spieler selbst schienen noch nicht jede ihrer Phrasen wirklich zu beherrschen. Auch die Dynamik war kaum ausgereift: Noch zu oft öffnete Fischer einem undifferenzierten Forte-Klang Tür und Tor, der einerseits die Sänger fast permanent an den Rand ihrer stimmlichen Leistungsfähigkeiten trieb und andererseit die bei Janácek so wichtigen Farbnuancen zudeckte oder verschwimmen liess. Ob man lieber das impressionistische oder das moderne Element in dieser Partitur betonen will, ist Geschmackssache. Aber das pauschale, dicke, spätromantische Klangbild, das Fischer an der Premiere vom Sonntag entstehen liess, passt sicher nicht zu dieser Oper.

Zurückhaltung wäre auch der Solisten wegen angebracht, denn Martina Jankova mit ihrer zweifellos schönen, aber leichten Stimme kann in der Titelrolle nur bestehen, wenn sie genügend Spielraum zur Gestaltung erhält. Weniger stark unter Adams Räder kamen Oliver Widmer als Förster, Peter Straka als Schulmeister und Judith Schmid als Fuchs - aber auch ihnen würde man von Herzen mehr Freiheiten gönnen.