Christian Berzins, Mittelland-Zeitung (29.01.2013)
Konzert Theater Bern zeigt zum Giuseppe-Verdi-Jahr 2013 einen blassen «Macbeth»
Alles kann bei Verdis «Macbeth» in die Hose gegangen sein: Die Lady einmal mehr viel zu scharf im Ton, ihr Ehemann dafür blass wie eine Maus, der Dirigent ungestüm wie Rambo und die Inszenierung weder Fisch noch Vogel – Hauptsache «modern». Alles egal. Nach zweieinhalb Stunden öffnet Verdi den Opernhimmel und lässt den Tenor endlich seine Arie singen. Die Galerie hofft gar auf die Rettung des Abends, bereit, in erlösenden Jubel auszubrechen. Nicht so in Bern am Sonntag. Auch Macduffs «Ah, la paterna mano» konnte den lauen Abend nicht mehr drehen.
Nichts von Neuanfang
Wir greifen vor, malen schwarz, wo vielleicht auch artiger Stadttheaterdurchschnitt zu loben wäre. Aber vom im September mit Pauken und Trompeten ausgerufenen Neuanfang des Stadttheater Berns, nun «Konzert Theater Bern» genannt, wollten wir etwas hören! Nichts davon. Selbst der einzigartig fürchterliche Urinduft in den Berner Theatertoiletten ist geblieben.
Naturgemäss wollte auch der neue Theaterdirektor Stephan Märki das Giuseppe-Verdi-Jahr 2013 bereichern, setzte seine Verdi-Premiere keck auf Verdis Todestag, auf den 27.Januar. Mit «Macbeth» hatte man ein szenisch Shakespeare-vertracktes, musikalisch Verdi-feuriges Frühwerk ausgesucht, das in einer späten Pariser Überarbeitung den Weg auf die grossen Bühnen gefunden hat. In Bern ist eine Mischfassung zu hören. Mit Ballett und Luftgeistern muss sich Regisseur Ludger Engels nicht rumschlagen, dennoch sieht die Bühne am Schluss so aus, als wären zehntausend Schotten über die Bühne getanzt.
Macbeth versinkt im Blut und Chaos, keiner schaut hin, wenn der König stirbt. Man hat dann ja auch genug Blut gesehen, ja wundert sich, dass nicht auch noch die Därme aus dem königlichen Bauch hängen. Jeder Dolchstoss musste von Engels inszeniert werden, Fantasie war gestern. Das Zeigen des Unsichtbaren hat bei Engels so sehr Methode, dass ein durchsichtiger Glaskubus ins Bühnenbild (Ric Schachtebeck) eingebaut wurde: Hier können Morde stattfinden, hier dürfen die Hexen Geister auffahren lassen. Diese Wesen gibt es notabene allesamt zu sehen, obwohl wir – königlicher Laptop und Maschinengewehre zeugen davon – in der Gegenwart stehen. Es sind Hexen und Geister, wie sie schon letzten Sommer bei Peter Steins Salzburger «Macbeth» belächelt wurden. Stein aber zeigte ein märchenhaftes Schauertheater, Engels in Bern schauerliches veraltetes Provinztheater.
Dirigent Srboljub Dinic beginnt sehr massig, es dauert eine Weile, bis er sein Orchester zum Singen und zum Sprechen bringt. Die Rhetorik liegt beiden bis zum Schluss mehr als die Lyrik. Bei den Sängern scheint sich der Berner Theaterneuanfang bei «Macbeth» darin zu manifestieren, dass man den lokalen Ensemblekräften eine Auftrittsmöglichkeit geben wollte. Und so singt denn Lokalmatador Robin Adams die Titelrolle, Fabienne Jost die Lady.
Inszenierung frisst die Stimme
Adams ist bei einem solchen Verdi-Brocken noch mehr überfordert als bei Mozarts «Don Giovanni»: Hier, wo eine Stimme auch mal nur auf einer Note fliessen müsste, ist sein Zappelphilipp-Bariton entkräftet. Gewiss, da ist fast alles korrekt den Noten entlang gesungen, aber Adams gelingt es in kaum einer Phrase, Charakter zu zeigen – geschweige denn im Spiel. Der Rahmen der Inszenierung frisst diesen Sänger auf, ihr etwas zu geben, vermag er nicht.
Fabienne Jost gelingt das viel besser, sie beherrscht die Bühne, diese Lady zeigt Charakter. Aber auf die Länge muss man trotz ihrer famosen Ausbrüche, trotz ihrer erstaunlich dämonischen Töne zu viele Abstriche in der Stimmführung und Intonation machen.
Die Berner haben das anders gehört. Aber fragen wir doch einfach: An welchem Opernhaus könnten diese zwei Sänger mit diesen Verdi-Rollen gastieren?